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Autor Nachricht
Lisa M.
(Standard)

Interessant. Ich kenne hauptsächlich den ungewollten Tunnelblick. Das Starren auf einen Monitor scheint ihn sehr zu fördern... "Umschalten" fällt mir dann schwer anschließend. Was ich mir jetzt schon angewöhne ist, wenn ich über eine Formulierung nachdenke, absichtlich den Kopf in die andere Richtung zu drehen. Aber auch das Beschäftigtsein mit für mich gerade zentralen Fragen kann heftig zum Tunnelblick führen.

Zitat:
ch bin dann von aussen nicht richtig ansprechbar und kann nicht richtig reden. nur einsilbige bemerkungen meiner seits sind dann möglich.


So ist das bei mir auch. Anscheinend wurde ich in so einer Zeit sogar schon mal für depressiv gehalten, obwohl ich mich geradezu manisch fühlte...

Bei (überwiegend, aber nicht ausschließlich von mir "diagnostizierten") ADHS'lern ist mir übrigens schon oft ein ziemlich starkes Ausmaß von Tunnelblick aufgefallen, nur dass einem aus diesem Tunnel dann ein Wortschwall entgegenkommt. Wenn ich auf Leute treffe, die an meinem Lieblingsthema interessiert sind und mir freiwillig zuhören, kann ich das allerdings auch schon mal so machen... Augenlid runterziehen

Zitat:
aktives geplantes handeln ist in diesem zustand nur unter grösstem inneren aufwand möglich. meist gelingt es mir aber mich aus diesem zustand herauszuziehen in dem ich mir wahrnehmungseindrücke zuführe. dies ist meist eine tasse kaffee.


Yep. Wenn's nicht gar so arg ist, kann ich das auch gut abstellen, indem ich erstmal was Unkompliziertes mit den Händen mache und mir ein paar Sinneseindrücke zuführe. Mit der Hausarbeit fange ich aus genau diesem Grund mit Abwaschen an (das ist das, wobei man am wenigsten denken muss) und mache dabei das Radio an. Wenn's ärger wird, dusche ich vorher noch (heute muss ich gleich erstmal duschen...). Besucher werden erstmal mit Getränken versorgt (im Winter ist Teekochen da praktisch), damit ich Zeit zum "Umschalten" gewinne. Ich höre ihnen nämlich an sich ganz gern zu und hab nichts gegen Besuch. Die Tasse Kaffee nur zu trinken, mache ich zwar aus Gründen der Bequemlichkeit auch dauernd so, aber es hilft bei mir nicht wirklich, weil man dabei zu gut grübeln kann.

Zitat:
manchmal geschieht es mir dass ich tunnelblickig argumentiere weil ich von einem problem nur teilaspekte sehen kann.


*gg* Sowas fällt mir bei anderen immer ganz stark auf, aber ich selbst habe das natürlich niiie... zwinkern

Doch, so hin und wieder ist es mir mal aufgefallen, wenn ich aus irgendwelchen Gründen abrupt da rauskam und feststellte, dass das, worüber ich mich möglicherweise grade aufgeregt habe, kaum bis gar nicht existiert hat.

Zitat:
übertragen auf ein bild würde ich den tunnelblick wie folgt beschreiben:


Es kommt mir sogar manchmal so vor, als ob ich diesen Tunnel bei anderen sehen kann, wenn sie da grade drin sind. Es sieht aus wie eine Raumverkrümmung, ähnlich, wie du sie beschrieben hast. Er scheint dann so vor ihren Augen zu sein, und andere, die sich stark aufeinander konzentrieren, sind durch so ein Ding miteinander verbunden. Aber das sehe ich nicht in jedem Zustand, da muss ich selbst sehr still im Kopf für sein - und eher "überwach"!

Zitat:
mit methylphenidat (weil ich auch ads bin) habe ich nun einen 'gläsernen' tunnelblick, was anfangs bizarr war.


Erstaunlich. Ich kann mich mit MPH erheblich schlechter aus dem Tunnelblick lösen, v.a., wenn ich es ein paar Wochen hintereinander genommen habe. Es ist auch so, dass es anfangs bei mir die Impulskontrolle verbessert und sie später dann ganz verloren geht. Ich finde, sich aus so einem Tunnel zu "befreien", erfordert die Fähigkeit zur *Steuerung* von Impulsen. Willenskraft oder sowas. Wenn ich mich "treiben lasse", treibe ich halt weiter durch den Tunnel. Nach einigen Wochen MPH geht dann fast nichts anderes mehr, höchstens noch Ausraster produzieren. Ich hab's jetzt abgesetzt.

Zitat:
die haben also scheinbar keinen tunnelblick, sondern die gesamtszenerie vor sich, und wählen locker und bewusst, was sie nun genau fokussieren.


Mir fällt aber auch immer wieder auf, wie viele verdammt wesentliche Details sie übersehen. Dann kommen sie mir oft unglaublich dämlich vor. (Sorry.) Es hilft mir ja schon gegen diese Arroganz, mir die Vor- und Nachteile beider Sichtweisen mal so im Allgemeinen klarzumachen.

Zu dem Kunstprojekt: Joa, da hätte ich auch Lust drauf.
Ich hab früher mal fotografiert, weil ich die viele kleine Kunst zeigen wollte, die so am Wegrand rumliegt und meist übersehen wird... Das endete dann mit einer Kiste voller Fotos, die sich niemand anschaut. Ich hab kaum Lust, das auch nur zu sortieren. Und das wäre dringend nötig, weil ich die schönsten Bilder am Ende verschenkt habe und nicht weiß, welche das waren und wo die Negative dazu sind. In einem Anfall von Sortierwahn habe ich nämlich mal Mist gebaut, Abzüge und Negative voneinander getrennt, die Abzüge thematisch sortiert und die Negative nach Filmen, und weiter bin ich dann beim Sortieren auch nicht gekommen, weil nach dieser schwachsinnigen Betätigung so viel Unordnung herrschte, dass ich sie nicht mehr anfassen mochte! Augenlid runterziehen

Wenn Aspies besonders begabt im Sachen sortieren sind, dann bin ich wohl doch eher ADS'lerin und sollte mein MPH wieder schlucken, bevor es noch schlimmer wird.

Momentan befasse ich mich aber eher mit "Studium" als mit Kunst... Btw: Im geschützten Bereich liegt irgendwo was zum Thema "Persönliche Ordnungszahl" rum, ich glaube, das könnte mit dem Tunnelblick zu tun haben.

Sämtliche Angaben erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen, im Bemühen um Logik, Nachprüfbarkeit und Einhaltung der kulturell bedingten Realitätsvereinbarung.
22.06.06, 13:48:59
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arlette
(Autistenbereich)

geändert von: 55555 - 22.06.06, 20:15:56

Zitat von Lisa M.:

Mir fällt aber auch immer wieder auf, wie viele verdammt wesentliche Details sie übersehen. Dann kommen sie mir oft unglaublich dämlich vor.

das ist übrigens aber auch genau so. offenbar sehen sie zwar die gesamtszenerie, aber eher 'holzschnittartig' (zitat: meine thera, sehr erfahrene person). sie sehen also mehr, aber dafür weniger genau. meine partnerin - die einen laden führt und mit vielen leuten spricht - hat in meinem auftrag diverse leute diesbezüglich gefragt. NA's kommen nie und nimmer an die - wie schon beschrieben - feine 'aufpixelung' von autisten ran.

als ich mit 2 vertrauten leuten darüber diskutierte, wie wir 2 spezifische situationen jeweils wahrnehmen, schwirrte mir der kopf, weil diese leute offenbar extrem viel auf einmal wahrnehmen, auschecken und - was mich erstaunte - sich darin sofort positionieren. ihre schilderung machte mich ernorm müde, aber für sie ist das offenbar ein automatismus, der keinen kraftaufwand erfordert. ich hingegen hatte immer den tunnelblick auf etwas spezifisches, und dies habe ich in allen kleinen details wiedergeben können bzw. erinnerte mich an sehr viel mehr davon, als die NA's.

[Doppelbeitrag und Erklärung dessen gelöscht. Die "Ändern"-Taste ist neben der "Zitat"-Taste, mfg 55555]
22.06.06, 18:46:35
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jacko
(Standard)

Bei mir ist es wie wenn man im Schnellzug fährt. Nach vorne kann man alles gut erkennen, aber links und rechts verschwimmt die Umwelt zu einer homogenen Masse. Ähnlich im Alltag - auf dem Wohnzimmertisch sieht es aus, als wenn eingebrochen worden wäre, ich bemerke das nicht mal, während mein Schreibtisch im Lesezimmer akribisch aufgeräumt ist. Wenn Mann oder Kind dort Dinge verrücken oder wegnehmen, treibt mich das in den "Wahnsinn". Ein Hundehaar auf meinem Ohrensessel ebenso, die Trilliarden Hundehaare auf dem Teppich jucken mich nicht. Sagt meine Mutter dann, ich könnte mal wieder saugen, bin ich meist ganz erstaunt (erstaunt darüber, wie soviel Schmutz sich unbemerkt von mir darauf verteilen konnte). Als würde ich alles ganz neu sehen, mit anderen Augen, auf einmal. Eine Kundin von uns, die jede Woche kommt, hatte eines Tages ein Baby in einem MaxiCosy dabei. Mir ist nie aufgefallen, daß sie schwanger ist...Beispiele für einen eingeschränkten Fokus meinerseits gibt es massig.

Am besten ausdrücken und jemandem vermitteln, wie ich die Umwelt sehe, kann ich durch die Fotographie. Ich fotografiere ganz selten Sehenswürdigkeiten in Frontalansicht oder sowas wie "Mensch stellt sich vor Brunnen in Positur". Hasse das. Einmal spazierte ich in Havanna durch die Altstadt. Da kam ich an einer alten, zweiflügeligen Eingangstür vorbei. Die Sonne fiel so schräg durch die Häuserschluchten und setzte die Tür teils in Licht und teils in Schatten. Das Motiv sprang mich richtiggehend an. Die Leute haben mich etwas schräg angeschaut, eine Touristin, die auf dem Gehsteig kniet und schräg nach oben eine Haustür fotografiert. Dann machte ich noch eine Makroaufnahme von linken unteren Eck der Türfüllung. Da war das Holz schon ein wenig verwittert mit Rissen und so, die Farbe blätterte schon etwas ab, aber die Schnitzereien waren im "Halbsonnenlicht" viel plastischer. Meine Absicht war, festzuhalten, daß Altes zwar ramponiert aussehen kann, aber trotzdem noch schon ist - den ganzen Flair eben, der eine Altstadt ausmacht. Einige Menschen können mit solchen Bildern null anfangen. Mein Mann mag auch lieber so oberflächliche Bilder. Ich kann diesen nichts abgewinnen. Wenn ich nun das gesamte Haus fotografiert hätte, hätte ich ein Bild mit einem Haus drauf gehabt. Die einzelenen Details, die die Schönheit ausmachen, wären aber nie richtig rausgekommen.
02.07.06, 12:58:01
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tabby
(stillgelegt)

ich laufe regelmæssig mit Tunnelblick durch die Gegend. Warum ich das mache automatisch, weiss ich nicht

[Auf eigenen Wunsch deaktiviert und anonymisiert, mfg [55555]]
02.08.08, 15:27:17
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Rikki
(Autistenbereich)

ich bin auch immer mit tunnelblick durch die gegend gelaufen
naja ich mach es heute auch noch, aber ich habe es manchmal unterkontrolle. ich versuche dann einfach bewusst auf alles in meiner umgebung zu achten und alles wahrzunehmen
erinnern kann ich mich am ende zwar trotzdem nicht, aber ich kann wenigstens auch sachen oder situationen reagieren, die ich sonst wegen dem tunnelblick nicht mitbekommen würde

help me, i'm underachieved!
Diagnose auf Asperger
02.08.08, 16:15:36
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