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Der japanische Sommer hatte sich gerade voll entfaltet, richtig heiß war es geworden. Die Angestellten schwitzten in überhitzten Büros, in denen aus Energiespargründen mit der Klimaanlage gegeizt wird. Da stellte das japanische Umweltministerium eine Liste mit Tipps auf seine Website: "Bekämpfen Sie den Körpergeruch, benutzen Sie parfümierte Weichspüler", lautete der wichtigste Ratschlag.
In Ländern wie den USA oder auch Deutschland, in denen gern dick mit Düften aufgetragen wird, wäre dieser Vorschlag wohl fast so unbemerkt vorbeigezogen wie eine leichte Sommerbrise. Doch Japan ist traditionell ein Land der dezenten Aromen. Und deshalb stinkt einigen Japanern die Anregung des Ministeriums mittlerweile gewaltig. Ein Krieg der feinen Nasen ist ausgebrochen.
In den vergangenen Jahren haben immer mehr Japaner und Japanerinnen Gefallen an intensiv riechenden Weichspülern gefunden. Vor allem die Marke Downy von Procter & Gamble setzen sie mit Vorliebe ihrer Wäsche zu. Jahrein, jahraus weht nun Aprilfrische von den quer durchs Land gespannten Wäscheleinen herüber. So allgegenwärtig sind die künstlichen Aromen, dass einige Geruchsempfindliche angewidert die Nase rümpften und zum Gegenschlag ausholten. Sie wurden bei der Stadtverwaltung und der Branchenaufsicht vorstellig, um gegen den Angriff auf ihr Riechorgan mobil zu machen. Von Downy und seinen japanischen Konkurrenzprodukten ginge ein "Pesthauch" aus, klagten sie und schimpften gegen die "industrielle Luftverschmutzung" und die "Belästigung" durch die vermeintlichen Stinkbomben. Und inzwischen haben die Geruchspuristen einige kleine, aber strategische Etappensiege eingefahren.
Erzürnt von den Ratschlägen des Ministeriums setzten sich Interessensgruppen wie das Hilfszentrum für Chemikalienüberempfindlichkeiten und die Gesellschaft für den eingeschränkten Einsatz von Duftstoffen in Bewegung. Blogger wüteten darüber, dem Downy-Dunst passiv ausgesetzt zu sein. In den Medien des Landes wurde das Wort "sume-hara" aus der Taufe gehoben, das die "Geruchsbelästigung" greifbar macht.
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Der viel kritisierte Ratschlag wurde entfernt und durch einen neuen ersetzt: "Erfrischen Sie Ihren Körper von innen mit kühlenden Speisen (Sommergemüse) und Getränken."
Ein Sprecher in der Zentrale von Procter & Gamble in Cincinnati verwies für Anfragen auf die Tokioter Niederlassung des US-Verbrauchsgüterkonzerns. Doch dort wollte sich eine Sprecherin nicht zu dem Thema äußern. Es sei zu heikel, meinte sie.
Die Missstimmungen lassen sich zum Teil auch damit erklären, dass sich die Konsumkultur in Japan langsam ändert. Die Japaner hatten sich lange von den penetranten Duftbouquets fern gehalten, die im Westen bevorzugt werden und fast jedem Pflegeartikel, von der Seife bis zum After-Shave, entströmen. Wer Parfums und Duftwasser verkaufen wollte, hatte in dieser vom gedämpften Wohlgeruch der Räucherkerzen erfüllten Kultur mit Akzeptanzschwierigkeiten zu kämpfen. Japan stellt zwar den zweitgrößten Markt der Welt, was Schönheits- und Körperpflegeprodukte angeht. Aber beim Verbrauch von Parfums und Düften rangiert das Land abgeschlagen auf dem 19. Platz, wie die Marktforscher von Euromonitor International ermittelt haben.