den Leuten erstmal erklärt, welche Wörter sie verwenden dürfen und welche nicht, anstatt sich zuerst darum zu kümmern, welche Probleme diese Leute haben
Tue ich das denn?
Nicht bewusst vermutlich, aber die Debatte der letzen Seiten zeigt, dass dir Bezeichnungen wichtiger sind als das eigentliche Thema.
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Und, gibt es da auch Kriege? Wie organisiert sich die Gesellschaft? Wie werden Konflikte ausgetragen, die es zweifellos auch in einer solchen Welt geben wird.
Es ist schwer, sich das vorzustellen. Ich habe keine praktischen Erfahrungen mit einer autistischen Welt, ich weiß nur, dass mich im Mathe-Club alle geliebt haben und in der Schule alle verkloppt. Also, was soll ich sagen? Was würde Lisa Simpson sagen? Genau: "Jetzt fehlt mir nur noch ein intellektueller Junge im Rollstuhl."
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Wie wäre es damit: Wissenschaft ist eine kulturelle Prothese für NA um wengistens ein bischen fundierte Grundlagen zu schaffen und diesen zu Anerkennung zu verhelfen.
Klingt gut.
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Unabhängig von dem, was die schlauen Diagnosekriterienausdenker so meinen, soll ein Mensch, der sich krank fühlt und für den es eine schulmedizinische Heilung gibt, die Hilfe erhalten, die er benötigt. Ich unterstelle, dass jeder mündig genug ist, um das einzuschätzen.
Also auch ein Schwuler, der das diese Neigung an sich als krank empfindet? Auf Kosten der Krankenversicherung? Gilt das dann auch für Alltagsdoping? Koks auf Rezept vielleicht?
Da steht "der sich krank fühlt und für den es eine schulmedizinische Heilung gibt" und das ist für Schwule nicht drin. Dennoch würde ich einen Schwulen, der sich als krank bezeichnet, in Ruhe lassen. Ich würde vielleicht mal eine Bemerkung machen und sicher würde mir der Mensch leid tun, wie diese ganzen angeblich von Gott geheilten Irren, aber es soll jeder nach seiner Facon unglücklich werden.
Die Krankenversicherung und die offiziellen Diagnosen sind wieder ein anderes Ding. Im ICD-9 war Homosexualität noch gelistet. Aber weil es keinen "Diskriminierungsausgleich" gibt, sind Menschen darauf angewiesen, sich "krank schreiben" zu lassen. Die Homosexuellen und Schwarzen gehen leer aus. Verständlich, denn sonst müsste man ja Frauen das Drittel Gehalt, das sie für dieselbe Arbeit nicht bekommen, auch aus diesem Topf bezahlen. Wer soll das bezahlen? Da könnte man ja keine Millionen mehr an Banken verschenken oder Überwachungsdrohnen für eine halbe Milliarde anschaffen.
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Psychosen sind ja auch nicht "heilbar", meine Bekannte unterdrückt lediglich die Symptome
Naja, aber es scheint ja oft einen psychischen Grund für eine solche Krise zu geben.
Es gibt oft einen Grund in der Gesellschaft. In diesem speziellen Fall wurde die Frau traumatisiert durch die unangemessene Weise, wie manche Männer mit Frauen umgehen und dann kam der Leistungsdruck und das Bemühen, den Menschen möglichst schnell wieder zum willenlosen Sklaven des Systems zu machen = zu therapieren. Diese Frau wurde vom System krank gemacht und nicht geheilt, sondern wieder funktionsfähig gemacht.
Die Psychose ist - in meinen Augen - ein Selbstheilungsmechanismus ihrer Seele, der aber nicht zum Zuge kommt, weil er unterdrückt werden muss, weil die Frau ja arbeiten = funktionieren muss.
Man könnte sie ja sonst nicht ausbeuten.
Man redet ihr ein, sie würde sonst der Gesellschaft auf der Tasche liegen, aber die Wahrheit ist, sie würde sonst nicht ausbeutbar sein.
Das sind aber gleich 2 Themen, die hier nicht wirklich hin gehören.
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Psychotiker sind u.U. arbeitsunfähig und brauchen eine Krankschreibung.
Diese Dinge werden jetzt vielleicht in einem Zusammenhang gesehen, zwangsläufig ist der aber sicher nicht.
Nein, ist er nicht, aber wer hilft mir bei der Weltrevolution?
Das System ist nun mal eben da, die Gesellschaft hat sich nun mal so entwickelt, es ist nicht gerecht oder logisch, es ist einfach nur wie es ist. Im Rahmen dieser Gesellschaft und dieses Systems muss man Menschen helfen. Das heißt, zuerst einmal zuhören. Dann überlegen, was man tun könnte. Und irgendwann dann vielleicht mal anregen, über Sprachbenutzung nachzudenken. "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral", sagte Brecht, will heißen: Erst mal den Arsch an die Wand und dann die Philosophen lesen.
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Was denkst du zur Testosteronthese von Baron-Cohen? Kannst du die mit der Frage der unfreien Reizverarbeitung zusammenbringen?
Baron-Cohen sehe ich sehr ambivalent.
Zum einen stört mich, dass das E-Gehirn als "weiblich" bezeichnet wird und das S-Gehirn als "männlich". Wenn man dann die Diagramme betrachtet, sieht man, dass die meisten Menschen ein E+S Gehirn haben und nur die seltenen Extrembegabungen in Zusammenhang mit biologischem Geschlecht stehen. Die Grenzziehung bei der Einteilung in E, S und A ist auch sehr willkürlich.
Zum anderen stört mich, dass Baron-Cohen Neugeborenen Mobiles und Bilder von Gesichtern zeigt und dann, nachdem 4% der männlichen Neugeborenen "länger" auf das Mobile schauten als auf das Gesicht und 6% der weiblichen länger auf das Gesicht, ein Spiegel-Interview gibt, das unter dem Titel "Frauen denken anders" veröffentlicht wird. Schließlich hat er gerade genau das Gegenteil bewiesen. Frauen denken eben nicht anders, Männer auch nicht, Frauen interessieren sich nur ein kleines bisschen mehr für Menschen und Männer ein kleines bisschen mehr für Technik. In dem Moment ihrer Geburt sind ca. 5% aller Menschen "typisch weiblich" oder "typisch männlich".
Und das wird uns verkauft als "Frauen denken anders"? Da schaue ich mir lieber Baron-Cohens berühmten Cousin an, der verkauft seine Jokes wenigstens nicht als Wissenschaft.
Dazu kommt, dass "Irgendwer zeigt einem Baby irgendwas" extrem unwissenschaftlich ist, weil ein Baby vielleicht spürt, was es tun soll. Es will ja eine friedliche, harmonische Umwelt und keine verspannten Forscher, die nicht die Ergebnisse bekommen, die sie bekommen wollen.
Und die Forscher sind vielleicht auch unbewusst ungenau, weil sie das beweisen wollen, was sie schon zu wissen meinen.
Dann gibt es noch einen Kritikpunkt: Baron-Cohen behauptet, dass autistische Kinder im Mutterleib zuviel Testosteron abbekommen haben. Nun gibt es aber leider eine Reihe von "Erkrankungen" die durch einen erhöhten Testosteronspiegel hervorgerufen werden und diese zeichnen sich vor allem durch Abweichungen der Geschlechtsmerkmale aus.
Ich kenne etliche Autisten, aber weder sind die Frauen äußerlich vermännlicht, noch sind die Männer das, was der Volksmund unter einer "Testosteronschleuder" versteht.
Es haben nur fast alle ein großes Problem damit, sich so zu verhalten, wie die Gesellschaft geschlechtsspezifisches Verhalten erwartet.
Man sollte vielleicht Autisten als von gesellschaftlichen Rollenerwartungen weitgehend unbeeinflusste Menschen betrachten, dann könnte man auch endlich mal den Zoff zwischen Behavioristen und genetischen Deterministen klären. Geschlechtstypisches Verhalten ist zu einem kleinen Teil angeboren, in der Pubertät wird es vielleicht ein etwas größerer Teil (hormonell beeinflusst) und der größte Teil ist Zwang.
Das hat Baron-Cohen eigentlich herausgefunden, aber entweder checkt er es selbst nicht oder es ließ sich nicht so gut vermarkten, wie "Frauen denken anders".
Da sind wie wieder beim Thema NA-Wissenschaft.
Das Thema der "unfreien Reizverarbeitung" - erst einmal weiß ich nicht, ob derjenige unfrei ist, der alle Reize verabeiten muss oder derjenige, der sich nicht aussuchen kann, was er verarbeiten will. Beide sind ja eigentlich teilweise unfrei. Ich kann selektieren, aber das überfordert mich manchmal, andere können nicht bewusst ihre Wahrnehmung wahrnehmen, aber funktionieren gut in der Gesellschaft.
Der einzige Zusammenhang, den ich da leider sehe ist der des Sozialisierungszwangs für Frauen. Männern sieht man es eher nach, Vollnerd zu sein. Von Frauen erwartet man, sich für andere zu interessieren und Empathie zu entwickeln. Egal, ob das Talent vorhanden ist oder nicht.
In gewisser Weise hat jeder es in der Hand, wie er sein Gehirn programmiert. Autisten, also Menschen, die ihre Wahrnehmung wahrnehmen, können das viel zielgerichteter tun. Ich habe 10 Jahre gebraucht, um Emotionen an Gesichtern, Körpern und Stimmen zu erkennen, aber ich kann es jetzt besser, als die meisten anderen. Nur leider kann ich nicht gleichzeitig zuhören, was gesabbelt wird. Und - auch leider - eigentlich hätte ich viel lieber mal richtig programmieren gelernt.
Menschen, die sowohl in den logischen als auch in den emotionalen Bereichen überdurchschnittlich abschneiden, sind fast immer Frauen. Menschen, die extrem hohe Ergebnisse im logischen Bereich und sehr schlechte im sozialen Bereich haben, sind fast immer Männer.
Das hat gesellschaftliche Ursachen und es bedeutet eine doppelte Diskriminierung aufgrund des Geschlechts: Autistischen Jungs bringt man nämlich bestimmte Sachen gar nicht bei, während man Frauen zur Meisterschaft in diesen Bereichen zwingt.
Das ist genauso blöde wie alle Jungs zu zwingen, Automechaniker oder Fußballprofi zu werden, während man allen Mädchen erklärt, das sei doch nichts für sie, weil sie sich verletzen oder lesbisch werden könnten.
So frei nach dem Motto "Egal wer du bist und was du kannst, wir zwingen dich in deine Rolle bis du kotzt!"
Dem Drama hat B.-C. keine Abhilfe geschaffen.
Warum eine ungefilterte Wahrnehmung zwangsweise eher zu rationaler als zu emotionaler Intelligenz (von der Grundveranlagung her) führt, liegt darin begründet, dass von Anfang an ein System erfunden werden muss, um das Wahrgenommene zu ordnen. In diesem System ist Platz für Hierarchien, Kategorien, Ordnungen. Das Selbst wird in den ersten Lebensjahren organisiert.
In diesem System - dem Alltag eines Buchhalters der Wahrnehmungen - haben aber andere Menschen erst mal keinen Platz. Sie werden zerlegt in optische, akkustische, haptische und olfaktorische Reize. Dann werden sie einsortiert. Und das bleibt eine ganze Weile so.
Einen anderen Menschen in seiner Gesamtheit wahrzunehmen ist bei einem Autisten eine Frage der Reife. Aber da kann man sich trösten, denn die viel weniger systematisch vorgehenden NA erreichen das sowieso nie.