Wow, ich freue mich über eure intensive Auseinandersetzung mit meinem Beitrag und möchte gerne einige eurer Anmerkungen adressieren:
Zum einen scheint der Eindruck entstanden zu sein, den Kindern würde etwas aufgezwungen/aufgenötigt, gerade das ist jedoch nicht der Fall. Das Kind darf im Spielraum ALLES tun, was es möchte (es sei denn natürlich es bringt sich in Gefahr), der Spielraum ist extra so gestaltet. Das Kind hat im Spielraum Kontrolle über alles, inklusive den Spielpartner, d.h. nicht nur, dass alle Spiele des Kindes angenommen werden, sondern auch alle "Neins", denn natürlich können auch nonverbale Kinder zeigen, wenn sie etwas nicht möchten. Wir möchten, dass das Kind sich entspannt, das erreichen wir durch "gebraucherfreundlich sein" und wir zwingen es zu gar nichts (Bsp. Kind und Spielpartner spielen mit Bauklötzen, das Kind nimmt sich Klötze vom Turm des Spielpartners. Reaktion nicht "oh nein, das sind meine!" sondern "Auja, du möchtest mehr Klötze haben, hier, nimm auch noch diese alle" weiteres Beispiel: "Möchtest du Socken anziehen? Es ist kalt." hält dem Kind Socken hin, Kind wendet sich ab/schiebt sie weg/sagt nein "OK, danke, dass du mir das sagst, ich leg sie hier zur Seite.").
Wieso glauben wir, das Kind habe Spaß? Ich habe bisher die Erfahrung gemacht, dass die Kinder gerne in den Spielraum kommen, eben weil sie hier alles kontrollieren können, was sich darin zeigt, dass sie zum Beispiel auch hinterher noch dortbleiben, den Spielpartner, wenn er in die Wohnung kommt hineinziehen bzw. hinterher festhalten, oder im Spielraum entspannter sind als außerhalb (ist natürlich meine Interpretation, z.B. gestützt auf die Beobachtung, dass das Kind mehr Lachen, weniger Weinen zeigt).
Wie wird das Lernziel festgelegt? Das löst hier im Forum wahrscheinlich eine Grundsatzdebatte aus, ich versuche trotzdem kurz meine persönliche Sicht darzustellen. Ich glaube, die Kinder profitieren, wenn sie in der Lage sind in sozialer Interaktion Kontakt zu anderen Menschen aufzunehmen. Es wird ihnen das Leben erleichtern und Frust ersparen, wenn sie sprechen können und es ihnen leicht fällt soziale Beziehungen aufzubauen. Ich halte es für ein Gerücht, dass Menschen auf dem autistischen Spektrum keine Freunde haben wollen. - Ob ich damit richtig liege, wisst ihr wohl am besten. Unser Ziel ist es, den Kindern Verhaltensweisen nahezubringen, die ihm dabei helfen Freundschaften zu schließen. Z.B. arbeite ich zur Zeit mit einem 6jährigen nonverbalen Jungen, der oft den Eindruck macht, etwas sagen zu wollen und dann gefrustet/wütend reagiert, wenn "keine Worte kommen". Ich bin tief und fest überzeugt, dass ich ihm etwas gutes tue, wenn ich seine Sprache fördere. ("Banale" Dinge, die zum Selbstständigsein gehören natürlich auch wie Zähneputzen, auf die Toilette gehen etc. - interessantes Fakt: die Eltern des Kindes aus dem MDR-Beitrag haben ihm die ersten vier Jahre die Zähne nicht geputzt - zwar immer wieder angeboten, aber sein "nein" akzeptiert und ihn nicht gezwungen, sie sind dann erfinderisch geworden und haben z.B. durch die Ernährung dafür gesorgt, dass er gesund bleibt)
In einer optimalen Welt kämen andere Menschen auf die
Menschen mit Autismus [Laut Forenregeln diskriminierender Begriff] zu, verstünden ihr Verhalten (soweit das für uns überhaupt möglich ist) und passten ihr eigenes Verhalten entsprechend an. - Leider ist es im Moment aber nicht so. Viele der Kinder landen auf Sonderschulen, obwohl sie normal intelligent sind, weil die Inklusion eben noch nicht wirklich umgesetzt wird. Da halte ich persönlich es für ein gutes Ziel, dem Kind zu helfen auch unter der "uninformierten Normalbevölkerung" (z.B. auf einer Regelschule) möglichst frustfrei zurechtzukommen.
Wie bringen wir dem Kind etwas bei? NICHT indem wir Regeln pauken/Anweisungen geben á la "Sieh Menschen in die Augen, wenn du mit ihnen sprichst." Sondern indem wir seine Umgebung so gestalten, dass es ihm Spaß macht Blickkontakt herzustellen/zu sprechen/um Hilfe zu bitten/Fragen zu stellen/sich abzuwechseln/teilen (also alles, was auch "neurotypische" Kinder lernen. Beispiel: Das Kind nimmt von alleine Blickkontakt auf, der Spielpartner macht etwas, was dem Kind gefällt (bei jedem Kind anders, z.B. während man es gerade auf dem Arm hat wild mit ihm rumhüpfen). - Meine Beobachtung ist, dass das Verhalten als angenehm empfunden wird und irgendwann "Fleisch und Blut" übergeht. - Es wird also keine Regel beherrscht, sondern eine Fähigkeit etabliert.
Ist die Akzeptanz des
Menschen mit Autismus [Laut Forenregeln diskriminierender Begriff] nur oberflächlich, sonst würden wir ja kein Spielraumprogramm brauchen? Es tut mir sehr Leid, wenn dieser Eindruck entstand und hoffe, dass durch obige Erläuterungen deutlich geworden ist, warum wir den Kindern bestimmte Dinge nahebringen wollen. Die Akzeptanz zeigt sich zum einen natürlich in der bedingungslosen Zuneigung zum Kind - es muss sich nicht ändern, damit wir es liebhaben, es ist wunderbar, so wie es ist. Zum anderen bedeutet es auch den "autistischen Verhaltensweisen" wertfrei gegenüberzustehen (was einigen Eltern erstmal schwer fällt) - es gehört NICHT zu unseren Zielen irgendetwas davon abzustellen, ganz so, wie man einem "neurotypischen" Kind in der Erziehung soziale Verhaltensweisen beibringt ohne die Persönlichkeit verändern zu wollen.
Puh, es ist nicht einfach eine Weltanschauung so zu komprimieren und schriftlich darzustellen. Ich hoffe es ist einiges klarer geworden und ich bin gespannt auf eure Meinung.
Beste Grüße
Franziska