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Autor Nachricht
godiva
(Angehörige)

hallo!
eigentlich bin ich ja hier wegen meines söhnchens unterwegs (morgen haben wir einen termin bei den uns schon bekannten psychologen, die sich zufällig jetzt auch in richtung autismus engagieren, also vielleicht kommt ja doch mal was anderes raus, als tic-störung wegen der "stereotypien"), aber auf die idee, mein sohn könnte autistisch sein, kam ich ja nur, weil sein erzeuger mir schon immer "ein bisschen autistisch" vorkam. eventuelle symptome will ich hier jetzt nicht diskutieren, weil es um etwas ganz anderes geht.
bei Christopher Gillberg habe ich grad gelesen, daß die sogenannten spezialinteressen auch in die kriminelle richtung ausarten können. erwähnter erzeuger sitzt gerade sein drittes jahr im gefängnis. wegen waffenbesitzes. und als ich das eben gelesen habe, fiel mir sein unendliches interesse für militärisches und waffen ein. er hatte ja einen waffenschein, sportschütze und so. aber mit seiner heimlichen sammlung hat er es halt übertrieben (ich wusste davon nichts).
was mir nun aber einfiel: wenn der junge mann wüsste, daß er autist ist (asperger richtung oder hochfunktional; wirklich sehr intelligent - wie mir übrigens der großteil in diesem forum vorkommt, ohne schleimen zu wollen), hätte ihm diese diagnose vielleicht beim urteil helfen können? hätte sie es Eurer meinung nach sollen?
er tut mir schon sehr leid, im gefängnis. vor allem wenn ich mir vorstelle, daß er vielleicht wirklich autist ist und das wahrscheinlich nicht einmal weiß. seine mutter hat mir mal so ganz kurz geschrieben, er habe es sehr schwer dort (wir haben eigentlich keinerlei kontakt, aber ich habe großen anteil an der ganzen geschichte genommen, er ist ja der vater meines liebsten sohnes...).
aus meinem gesunden menschenverstand heraus würde ich sagen, natürlich hätte man das berücksichtigen müssen, auch angesichts der straf-form. mist, daß mir das erst jetzt einfällt. mistmistmist, der arme mensch...
03.03.11, 13:43:02
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anne1
(Standard)

Hallo, Godiva,
ich würde ihn schon darüber informieren,
daß bei seinem Sohn der Verdacht auf Autismus [Laut Forenregeln diskriminierender Begriff] besteht,
und daß Du vermutest, daß er selbst eventuell ebenfalls autistisch sein könnte.

Aber ganz allgemein denke ich nicht, daß Autisten qua Autismus mildernde Umstände geltend machen können sollten.
viele Grüße,
anne
03.03.11, 15:20:45
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Antika
(Autistenbereich)

Auf diese Frage zu antworten, finde ich schwer.

Du bist also der Meinung, dass man die Diagnose Autist bei der Strafmaßnahme hätte berücksichtigen müssen? So wie ich dich jetzt hier verstehe, wurde dieser Mann wegen unerlaubtem Waffenbesitz verurteilt? Das ist aber nach dem Gesetz verboten. Dies hätte der junge Mann doch eigentlich wissen müssen. Ob Autist oder nicht Autist, an bestehende Gesetze müssen wir uns doch alle halten.

Wenn er wüsste dass er Autist ist, was wäre denn dann für ihn anders? Und was ist, wenn er doch kein Autist ist?

Ich denke mal dass es für viele Menschen schwer ist, wenn sie hinter Gitter leben müssen. Ich habe selbst einen aus der Familie der dort schon seit einigen Jahren sein Leben verbringen muss, und er ist NA. In diesem Jahr soll er nun entlassen werden, und dies bereitet ihm etwas Angst. "Plötzlich" wieder in der Freiheit zu sein, und sein Leben wieder alleine in die Hand nehmen zu müssen und vieles andere, machen ihm etwas Sorge.

"Das, was du tust, schreit so laut, dass ich nicht hören kann, was du sagst."

(Sprichwort aus Mosambik)
--------------------------------

"Die Erinnerungen verschönern das Leben, aber das Vergessen allein macht es erträglich."
(Zitat von Honoré de Balzac)
03.03.11, 15:27:26
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55555
(Fettnäpfchendetektor)

Waffennarren gibt es nicht so wenige, die meisten dürften NA sein. Es kann schon sein, daß eine Diagnose bei einem Urteil mildernd gewertet worden wäre. Muß aber nicht, das kann man so aus der Ferne auch schlecht einschätzen, wenn man nur so wenig weiß. Drei Jahre Haft bekommt man normalerweise nicht so schnell, da muß also schon ein ziemlich heftiger Verstoß vorgelegen haben?

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
03.03.11, 17:42:58
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haggard
(Autistenbereich)

"dummheit schützt vor strafe nicht" - finde ich eigentlich passend. gerade was psychiatrische diagnosen angeht, die auch positiv manipuliert werden könnten, wenn es jemand wirklich darauf anlegt. das könnte so einen merkwürdigen "beigeschmack" bekommen wie vergewaltiger mit mildernden umständen, weil sie selbst in der kindheit missbraucht worden und für die tat sporadisch nicht ganz zurechnungsfähig gewesen wären.

dass menschen, die nachweislich untäuschbar einen sehr niedrigen IQ hätten, bei gleichem strafmaß etwas anders behandelt würden, finde ich OK, aber intelligentere menschen, die sich unterstellender weise eher darüber bewusst sein können sollten, was ihre handlungen für konsequenzen besitzen können - oder dass ein "waffennarr", der heimlich bunkert, das heimlich macht, weil er wohl sehr genau weiß, dass es nicht ganz rechtens ist... wie ist es eigentlich bei leuten mit schilddrüsenfunktionsstörungen?
03.03.11, 18:39:50
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godiva
(Angehörige)

interessante antworten... vielen dank.
ich bin nicht direkt der meinung, daß er wegen autismus-verdachts eventuell mildernde umstände bekommen hätte sollen. das beispiel mit dem vergewaltiger bringt es ja auf den punkt, vielen dank auch dafür. aber vielleicht hätte man auf seine spezielle situation auch etwas eingehen können/sollen bei formulierung der strafe. meinetwegen bei auswahl des gefängnisses usw. diese strafe hätte ja auch evtl. zu einem gewissen seelischen weiterkommen beitragen können, wenn sie am richtigen platze abgelaufen wäre. aber so weiß ja nun niemand, warum es diesem häftling evtl. besonders schwer fällt dort, wo er jetzt ist. (hier: http://books.google.de/books?id=9KaLa3AiilsC&printsec=frontcover&dq=Ole+S.+Joergensen++Asperger,+Syndrom+zwischen+Autismus+und+Normalit%C3%A4t+Asperger,+S
auf seite 70 steht auch was geschrieben zum thema juristische konsequenzen).
ich weiß ja nicht, ob sich autisten hier evtl. mal in eine solche situation hineindenken könnten. ob es da möglichkeiten gäbe, einem solchen menschen das leben etwas leichter zu machen. man liest ja hier viel über fiese schulerfahrungen usw., da stelle man sich vor, man sitzt mit leuten, die man sich ja leider nicht aussuchen kann, völlig unerkannt als autist im knast.
trotzdem, natürlich: das alles schützt vor der strafe nicht.
vielleicht sollte ich noch näher dazu ausführen, warum das strafmaß so übel war: er hat "nebenbei" auch seinen "freunden" die steuererklärungen beschönigt. er war steuer-beamter. darüber haben sie erst die waffen gefunden (klingt wie im film, ich weiß. ich kanns selbst kaum fassen). und er hat den kopf hingehalten. eigentlich hätten alle leute, denen er einen größeren gewinn errechnet hat, diesen wieder zurückzahlen sollen. aber sie alle taten so, als ob sie das geld nicht mehr hätten, bzw. hatten es halt einfach nicht mehr.
auch diesen vorgang könnte man aus der autistischen (krankheits-)sichtweise zu betrachten versuchen: er war ganz offensichtlich froh, einen gewissen freundeskreis gefunden zu haben, für den er am ende regelrecht gerne den kopf hingehalten hat. für mich war das alles nicht verständlich. ganz abgesehen davon bekomme ich dadurch seit jahren keinen kindsunterhalt.
obwohl er mit hafterleichterungen rechnete, indem er alles zur zufriedenheit der anwälte/richter/gefängnisleute machen wollte (wie er sich mir gegenüber ausdrückte), hat er am ende die haft nicht angetreten. die haben ihn einen tag lang gesucht, sogar bei mir, obwohl ich 700km weit weg wohne. dann ist er in seiner heimatstadt aufgegriffen worden. daher gibt es leider auch keine hafterleichterungen. sein leben sah eigentlich so "lebensfähig" aus. genau das hab ich ihm damals mal in einem überschwang der gefühle gesagt: daß man ihn glatt heiraten könne, weil er so lebensfähig wirkt. das hat ihn sehr gefreut und er konnte es kaum glauben... diese situation kommt mir immer wieder in den sinn, wenn ich über ihn im zusammenhang mit autismus nachdenke. vielleicht hat er doch schon damals was gewußt...
@ antika: daß man angst vor dem weg nach draußen bekommen kann, kann ich nur bestätigen. ehrlich gesagt, ich war mal über zwei jahre extrem depressiv, suizidgefährdet usw. und daher in einer klinik. als ich dort nach ("nur") 10 wochen wieder raus sollte, hatte ich auch angst vor der welt da draußen und ob ich damit zurechtkommen werde usw....
gute n8.
03.03.11, 21:55:33
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55555
(Fettnäpfchendetektor)

Daß jemand auch im Gefängnis eigentlich nicht gesundheitsgefährdenden Bedingungen ausgesetzt werden darf versteht sich wohl von selbst? Es wäre aber tatsächlich die Frage wie gut das in der Praxis eingefordert werden könnte.

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
03.03.11, 22:20:49
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haggard
(Autistenbereich)

geändert von: haggard - 03.03.11, 22:28:30

man kann sich auch alles "schön" zu reden versuchen.:/
in dem zusammenhang wirkt "autismus" auf mich echt wie eine ausrede.

edit:
dass es "normalverbrechern" im gefängnis unter "extremverbrechern" eventuell geistig schlecht gehen kann - ok, aber der rest...
03.03.11, 22:24:54
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zoccoly
(Autistenbereich)

Ich finde es sehr problematisch, dass ich im Gefängnis sitzen würde, eingesperrt und andere sagen mir, was ich zu tun hätte, wäre das Allerletzte, was ich verkraften könnte.
Insofern scheint seine Lage, falls er Autist ist, katastrophal.
Auf der anderen Seite habe ich wenig Verständnis dafür, dass man sich in solch eine Lage selbst gebracht hat.
Egal ob er sich durch die Fälschung von Steuerunterlagen Freunde versprochen hat oder nicht, ich verstehe es nicht, genauso wenig, wie den Verstoß gegen das Waffengesetz.
Da darf nach meinem Empfinden auch keine A-Diagnose helfen, um mildernde Umstände zu erhalten.
Für mich gibt es nur eine einzige Ausnahme, bei der ich diese gelten lassen würde, ein Handeln im Overload, aber das ist hier nicht vorhanden.

stillgelegt
03.03.11, 22:28:26
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godiva
(Angehörige)

danke für die rückmeldung, zoccoly. genauso hab ich mir das nämlich auch vorgestellt.
interessant ist für mich, wie sehr hier auf das gesetz geachtet zu werden scheint. in der NA-welt meine ich dazu, ganz subjektiv betrachtet, irgendwie eine lockerere einstellung zu erfahren (hab das thema ja schon öfter mal wo angesprochen).
und in diesem zusammenhang ist dann wirklich interessant, wie ein autist, falls er denn einer ist, sich in so etwas hineinmanövrieren konnte. aber vielleicht hatte er ja eine art chronischen overload, falls es das gibt...
aber offenbar hat er auch einen ganz eigenen hang zum kriminellen. woher auch immer... (kann ich nur hoffen, daß sich sowas nicht vererbt. mein söhnchen kommt mir so wohlwollend vor bis jetzt...)
03.03.11, 22:41:09
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55555
(Fettnäpfchendetektor)

Beide Delikte sind nicht gerade solche, die in der Bevölkerung allgemein auch wirklich als anerkannt kriminell betrachtet werden dürften.

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
03.03.11, 23:04:48
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Antika
(Autistenbereich)

Also ich weiß ja nicht wie es in einem "normalen" Gefängnis zugeht, aber in einem offenen Vollzug scheint es wohl schon etwas "angenehmer" zuzugehen.

Da kommt man aber nicht so ohne weiteres hin. Der Verwandte von dem ich schrieb, saß auch zuerst in einem ganz "normalen" Gefängnis. Wegen guter Führung kam er aber dann auf Antrag in einen offenen Vollzug.

Nun darf man aber nicht glauben, dass Menschen die im offenen Vollzug ihre Zeit absitzen, nun das Gefängnis zu jeder Zeit verlassen können oder dort machen können was sie wollen. So wie das oft im Fernsehen gezeigt wird ist es nicht. Ausgang haben diese Menschen nicht, den kriegen sie erst bevor sie wieder entlassen werden. Und das auch nur in Begleitung.

Aber als ich diesen Verwandten dort besucht habe, war ich doch erstaunt wie "nett" es dort drinnen war. Die Zellentüren werden nur über Nacht zugeschlossen, am Tag können sich die Leute "frei" bewegen. Sie können sich also gegenseitig in den Zellen besuchen, oder aber sie schließen ihre Türen selbst, wenn sie ihre Ruhe haben wollen.

Sie kochen gemeinsam, haben Freizeitbeschäftigungen und manche arbeiten dort auch. Sie müssen jedoch regelmäßig an Gesprächstherapien teilnehmen, das ist Pflicht. Wer dies nicht macht, kommt wieder in ein "normales" Gefängnis zurük.

Sie putzen ihre Zellen und Flure und die sanitären Anlagen selbst und der ganze Trakt machte wirklich einen sehr sauberen Eindruck. Die Gefängniswärter sind fast nicht von den Insassen zu unterscheiden, denn alle tragen ganz normale Kleidung. So gesehen geht es diesen Menschen dort den Umständen entsprechend ziemlich "gut". In diesem offenen Vollzug sitzen hauptsächlich Sexulastraftäter und auch Mörder, wie mir auf meine Frage mitgeteilt wurde.

Und dennoch ist es keine einfache Zeit für diese Menschen, das ist mir schon klar.

"Das, was du tust, schreit so laut, dass ich nicht hören kann, was du sagst."

(Sprichwort aus Mosambik)
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"Die Erinnerungen verschönern das Leben, aber das Vergessen allein macht es erträglich."
(Zitat von Honoré de Balzac)
03.03.11, 23:07:09
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