Zitat:
diese reflexe gehören zum instinktiven verhalten
Hm, bei meiner Antwort hatte ich nicht an Reflexe gedacht, sondern mehr an diese Sachen mit dem Sozialen, die wir diskutiert haben. Ob der Mensch "von Natur aus" lediglich ein Eigeninteresse habe oder auch wenigstens so viel Interesse an anderen, dass er ihnen nicht schaden möchte. Und dabei finde ich es höchst schwierig, ein "rein instinkthaftes" Verhalten bzw. Antrieb von Sozialisationsgeprägtem zu trennen, weil das ja "ineinander wirkt". Man kann auch nicht davon ausgehen, dass die Instinktbasis einfach dem entspricht, was ein Neugeborenes "hat", denn auch eine gewisse Entwicklung ist naturbedingt. Sehen wir z.B. daran, dass mit der körperlichen Geschlechtsreife bei den meisten Individuen erste sexuelle Interessen einsetzen, obwohl die Umwelt das eher sanktioniert und ganz gewiss nicht fördert.
So insgesamt (und auch auf die Frage nach der Erziehung bezogen) denke ich, dass es überhaupt keine Erziehung geben könnte, wenn Menschen nicht von Natur aus - also instinktgetrieben - zumindest ein Interesse an ihren Bezugspersonen hätten. Auch in dem Sinne, ihnen schon im Eigeninteresse nicht schaden zu wollen. Ein Baby ist extrem abhängig von Bezugspersonen, die es versorgen. Aber ich glaube nicht, dass ein Baby den Kant'schen Imperativ anwendet oder sich auch nur bewusst ist, dass es seine Mutter am besten ein wenig bei Laune halten sollte durch Lächeln und Gurren und andere Becirzungsversuche, wenn es auch sonst nicht viel zur gemeinsamen ökonomischen Lage beitragen kann... Ich denke, das ist instinktbedingt, sowohl beim Baby als auch bei der Mutter. Und dieses grundlegende Verhältnis - von anderen gemocht werden wollen und all das, und das beinhaltet in der Praxis, ihnen nicht schaden zu wollen, denn damit macht man sie sich zum Feind - wird dann erweitert auf die eigene Gruppe, auf Menschen, so weit man sich ihres Menschseins bewusst ist. Deshalb wird Gegnern, z.B. im Krieg, gern das Menschsein abgesprochen, oder deshalb wird auf ein verhungerndes Kind in Afrika nicht mit derselben sofortigen Einsatzbereitschaft reagiert, mit der man auf ein verhungerndes Kind bei den Nachbarn reagieren würde.
Allerdings hat der Mensch *von Natur aus* die Fähigkeit, sich von seiner Instinktbasis zu entfernen, und ich glaube, allein schon, um diese Fähigkeit zu erproben, tut er das auch im Rahmen der Entwicklung irgendwann mal. Irgendwann kommt ein Kind drauf, dass man anderen auch schaden könnte, bloß so zum Spaß, und macht das mal. Meist sind es harmlose Dinge wie Klingelstreiche, mit denen die "Fähigkeit zum Ungehorsam gegen die Erwachsenen und gegen die Natur" erprobt wird. Damit ruft man dann Geschimpfe hervor und das wiederum scheint ein toller Nervenkitzel zu sein, so lange man's absichtlich verursacht hat (und in dem Fall: weglaufen kann

).
Ich halte es schon für wichtig, dass Eltern sehr hefig reagieren, wenn es über solche "kleinen Bosheiten" hinausgeht. Ruhig auch so, wie Arlette es in Bezug auf das auf-die-Straße-laufen getan hat. Das ist eine Sache, in der Kinder wirklich "Grenzen spüren" müssen, jedenfalls wenn sie sie suchen. Und bei diesen Grenzen muss deutlich werden, dass es kein Spaß mehr ist.