Da es in
diesem Fred abschweifte, starte ich diesen, um die Diskussion über Antipädagogik weiterzuführen.
Als Einführung ist dieses Thema empfehle ich folgenden Text zu lesen:
http://kraetzae.de/erziehung/erziehen_ist_gemein/
siehst du es generell so, dass sich jemand, der scheinbar "mehr" kann (erwachsener gegenüber kind, mensch gegenüber baum) automatisch irgendwem überordnet? wenn dem so wäre, so bildete "antipädagogik" lediglich eine hohle phrase.
Nein, so betrachte ich es nicht generell. Ich verglich auch nicht einen Menschen mit einem Baum, sondern einen Gärtner. Ein Mensch an sich kann sich auch genauso aus dem Baum nichts machen, ihn beseitigen, weil er da lieber eine Straße hätte, wo der Baum steht, kann sich aber auch sogar dem Baum unterordnen, wenn er eine entsprechende Einstellung zur Natur hat, wobei ich mich persönlich frage, wie so was in der Realität aussehen soll, aber es ist ja erstmal nur ein Gedankenspiel.
Zitat:
ist das nicht sehr großzügig von der natur? vielleicht ist der baum auch ein dieb? ein kleinerer baum neben ihm verdurstet womöglich. vielleicht entwickelt die natur irgendwann auch mal eine depression und dann gibt sie eventuell niemandem mehr etwas "ohnehin".
Spätestens hier müssen wir diese Metapher verlassen, denn es geht ja eigentlich um Menschen und nicht um Bäume. Es wird sonst zu abstrakt und es lässt sich nicht mehr wirklich nachvollziehbar mit dem Leben eines Menschen vergleichen. Außerdem verstehen wir Menschen die Bäume nicht annähernd genug.
Ein Mensch wird in der Regel sein Kind nicht verhungern lassen, so was geschieht nur in seltenen Extremfällen. Die geistige Nahrung, also das Wissen ist heutzutage freier zugänglich denn je (damit meine ich Wissen, das andere Menschen durch Forschung erworben haben und teilen möchten. Jegliches Wissen ist natürlich eh in der Natur und könnte entdeckt werden, müsste jeder Mensch dies aber erneut tun, würde die knappe Lebensdauer dafür niemals reichen). Es einem Kind vorzuenthalten wäre auch wieder Erziehung. Zum lernen zwingen muss man kein Kind, das tut es automatisch, nur die Inhalte und das Tempo sucht es sich selbst aus und das sollte man respektieren. Wenn man beim Kind ein Interesse entdeckt, steht es einer gleichberechtigten Beziehung nicht im Wege, ihm bei der Beschaffung von erwünschten Informationen zu helfen. Auch Beeinflussung ist eine völlig normale und automatisch passierende Sache in Beziehungen zwischen Menschen und steht dem auch nicht im Wege, es sollte nur nicht die Intention dahinterstecken, das Kind damit in eine Richtung zu lenken.
Zitat:
nun verhält sich dies in bezug auf menschen jedoch so, dass ein mensch nach seiner geburt nicht einfach so "wächst". d.h. er kann sich überhaupt nicht selbst versorgen. wenn das größenwachstum "unterstützt" werden soll, könnten die leute alle gestreckt werden, chirurgisch. aber gemeint ist wohl mehr oder weniger geistiges wachstum? freilich wird ein mensch nach seinem eigenen rhythmus geistig wachsen, je mehr bedeutungen und zusammenhänge er erkennen kann. die menschheit hat lediglich verdrängt, dass sie als lebewesen keine derart sprunghaften "entwicklungsfortschritte" gemacht hat, wie im technisch/abstrakten bereich. der mensch ist scheinbar gierig. das ist ein problem.
Ist Gier etwas natürliches, das aberzogen werden muss oder kommt die Gier erst durch Erziehung? Durch ständiges Lob bei erwünschtem Verhalten und ausbleiben von Lob bei nichterwünschtem Verhalten zum Beispiel. Es gibt tatsächlich Menschen, die glauben, dass man böse auf die Welt kommt und einem das böse erstmal durch Erziehung ausgetrieben werden muss und sich auch offen dazu bekennen. Aber auch den meisten anderen Menschen muss dieser Gedanke, so wie sie mit Kindern umgehen, auch zumindest unbewusst vorhanden sein. Wenn man ein Kind allerdings von Anfang an wie ein Monster behandelt, aus dem man erst einen guten Menschen machen muss, wird es sich selbstverständlich dadurch unverstanden und angegriffen fühlen und die Reaktion ist dann entweder Rebellion oder Depression, je nachdem.
Das Gehirn des Menschen hat sich beim Homo Sapiens Sapiens seit es ihn gibt, ohnehin biologisch nicht weiterentwickelt. Das heißt, dass die Menschen schon immer so intelligent waren wie jetzt. Frühere Menschen hatten nur viele technische Errungenschaften von heute nicht. Die Fülle an erhältlichen Informationen heutzutage ist so groß, dass es doch eigentlich gerade jetzt wünschenswert wäre, dass ein Kind sich auf seine Interessen spezialisiert, anstatt es zu einer allgemeinen Bildung zwingen zu wollen.
Ich halte es sogar für legitim, wenn ein Kind sich weigert, Sprache lernen zu wollen (um mal was noch Extremeres als lesen und schreiben zu nehmen und dies auch gerade unter Autisten ein interessantes Beispiel sein könnte), es hat vielleicht Nachteile in der Gesellschaft dadurch, aber das wird es selbst merken und es sollte seine Entscheidung sein. Es ist Quatsch anzunehmen, dass ein Kind diese Entscheidung nicht treffen könne, weil es die Zusammenhänge nicht erkennen könnte.
Dieser ganze Erziehungs- und Bildungs-Zwang (den wir hier ja haben, denn ein Kind muss laut Gesetz eine gewisse Bildung bekommen und wenn nötig wird dies mit Polizeigewalt umgesetzt) dient nur dazu eine, Gesellschaft von normierten Menschen zu formen, in der man seine Individualität nur in einem sehr beschränkten Rahmen ausleben kann. Das ist auch der Grund, warum Autisten als krank gelten, weil diese normierung bei ihnen selbst mit Gewalt nicht durchzusetzen ist und wenn etwas nicht durch Gewalt zu erreichen ist, dann ist das für die meisten Menschen einfach nicht nachvollziehbar, denn schon in ihrer Kindheit haben sie alltäglich mitbekommen, indem es ihnen vorgelebt wurde, dass man ständig Gewalt anwenden muss, um andere(s) auf seine eigenen Vorstellungen hin zu formen. Auch wenn man dabei Gewalt als etwas schlechtes predigt und auch sanktioniert, entscheident ist, was vorgelebt wird. Deswegen wird auch ein Mensch, der von Kindheit an gleichberechtigt behandelt wird, Menschen automatisch gleichberechtigt behandeln.
Zitat:
nun, mit zu viel dünger - wahrscheinlich. andererseits, um mal wieder auf den menschen zurückzukommen, bedarf er ausreichend nahrung. auf die dosierung kommt es wohl an.
in einer künstlichen welt muss auf künstlichem wege offenbar die "natur" imitiert werden.
Das Füttern eines Kindes sehe ich nicht als eine Tat an, mit der man sich über das Kind stellt. Da ein Kind von Anfang an das Verlangen nach Nahrung ausdrücken kann, ist das Füttern eine Antwort darauf, man erfüllt einen Wunsch eines Mitmenschen, das hat mit Zwang nichts mehr zu tun. Nicht erziehen heißt ja auch nicht, dass man sich nicht kümmert. „Erziehung“ wird einfach durch „Beziehung“ ersetzt und in einer Beziehung ist man auch füreinander da.
Ein Gärtner ist ja schon wer, der eine gewisse absolute Macht über andere Wesen ausübt. Ich kann mir denken, daß er das meinte.
Richtig.
Ich möchte nicht all das wiederholen, was azrael schon nannte, man kann natürlich immer unterstellen, dass sich der Erwachsene in eine übergeordnete Position begibt, es existiert aber auch eine demokratische Erziehung, was glaubst du, wie oft ich von meinen Kindern überstimmt wurde.
Eine demokratische Erziehung ist aber auch nicht das Gleiche. Ich bin da auch sehr kritisch, da ein in einer Demokratie überstimmter Mensch auch durchaus in einer Lage befinden kann, wo er sich in seinen Bedürfnissen nicht respektiert fühlt. Sinnvoller ist es da, die gewaltfreie Kommunikation anzuwenden, damit jeder seine Bedürfnisse äußern kann und man sich so einigen kann, dass sich keiner zu sehr benachteiligt fühlt. Generell ist eine demokratische Erziehung natürlich schon ein weiter Fortschritt gegenüber anderen Erziehungsmethoden, aber es ist immer noch eine Erziehung und keine reine Beziehung.
Zitat:
Mit den krankhaften Auswüchsen ist natürlich nicht ein autistisches Kind gemeint, im Übrigen fand ich diese Erziehung total problemlos. Ein Kind wächst aber in einem Umfeld auf. Wenn dieses als Mutprobe einen Diebstahl verlangt, am besten noch bei einer Oma, "die ja eh nichts checkt" und das Kind diesen tätigt, sehe ich das als eine Situation an, in der sich der Erwachsene gegenüber dem Kind positionieren muss. Wie in dem Beispiel mit dem Baum erwähnt, wird dieser Fall mit großer Wahrscheinlichkeit nicht auftreten.
Wie würdest Du handeln, wenn nicht Dein Kind, sondern ein gleichaltriger Freund von Dir diesen Diebstahl begangen hätte? Natürlich darf man seinem Kind gegenüber auch als nichterziehender seine Position dazu deutlich machen (wie man es eben grundsätzlich bei Menschen macht, zu denen man eine Beziehung pflegt), genauso sollte man es auch ernst nehmen, wenn das Kind sich zu einem Verhalten positioniert, dann wird das Kind die Position auch ernst nehmen und darüber nachdenken. Verbiete dem Kind hingegen einfach nur zu klauen und es wird heimlich klauen.
Und es ist richtig, dass dieser Fall, sofern man das Kind nicht durch autoritäres Verhalten verstört hat, sehr wahrscheinlich eh nicht eintreten wird.
Also ich kann da für nichts garantieren,ob sich das bei mir alles gewaltfrei anhören würde.
Wenn ich zum Beispiel den Eindruck hätte,dass eines meiner Kinder sich gerade einem Löwen zum Fraß vorwirft,dann ist mir das egal,ob in diesem Moment mein Kind den Eindruck hat,dass meine Stimme hysterisch klingt.
Mir sind dann auch seine pesönlichen Ambitionen egal,warum es das tut.
Ich würde auch nicht sagen:Kind ich habe den Eindruck,dass...
Oder:Mach erst mal deine eigenen Erfahrungen...
Dies ist eine überzogene Darstellung ,stellvertretend für alltägliche Situationen,in denen sich Eltern und Kinder befinden.
Wo wäre das dann einzuordnen?
Auch Dir stelle ich die Frage, wie Deine Reaktion wäre, wäre es nicht Dein Kind sondern ein gleichaltriger Freund?
Wenn ein geliebter Mensch sich in eine Gefahr begibt, ist eine emotionale Reaktion meines Erachtens nach völlig normal. Wichtig ist es nur, dass Du danach, wenn sich die Lage beruhigt hast, ein sachliches Gespräch über die Situation führst und das Kind verstehen kann, warum Du so reagiert hast und warum Du Angst um das Kind hattest. Seine Mitmenschen zu schützen zu wollen, egal ob eigenes Kind oder ein erwachsener Freund o.ä. ist völlig selbstverständlich und ganz bestimmt keine formende Maßnahme.
Hach, diese Diskussion finde ich richtig angenehm. Ich habe es bisher selten erlebt, so konstruktiv und sachlich mit anderen diskutieren zu können. Mir gefällt es richtig gut hier.