Autismus als Teil der Neurodiversitaet vermitteln
22.11.17, 17:19:28
Prometheus
Ich hatte in letzter Zeit öfters die Situation, dass NA mich nach meinem Autismus gefragt haben und es mir schwer gefallen ist ihnen darauf zu antworten. Es b gibt nunmal recht unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema, und ich möchte ihnen ein Bild von Autismus als Teil der Neurodiversität vermitteln. Wie kann ich Autismus kurz und verständlich für Laien erklären, mit allen wichtigen Fakten und ihnen dabei meinen Standpunkt begründent erklären?
23.11.17, 10:33:24
Antares
IDEE, kann gern kritisiert werden:
Ich bin gern Autist, mich hat niemand behindert oder gestört - Autismus ist aus meiner Sicht eines der Worte die man am besten nicht bräuchte.
Es passiert so viel Leid, weil die Menschen glauben Autisten wären krank oder schlecht - dabei sind sie nur anders und das ist gut so.
Man muss sie nur nicht behindern, oder stören, dann entwickeln sie sich ganz individuell und wunderbar, als Teil gesunder menschlicher Vielfalt.
23.11.17, 16:49:41
Kaleidoskop
IDEE, kann gern kritisiert werden:
Ich bin gern Autist, mich hat niemand behindert oder gestört - Autismus ist aus meiner Sicht eines der Worte die man am besten nicht bräuchte.
Es passiert so viel Leid, weil die Menschen glauben Autisten wären krank oder schlecht - dabei sind sie nur anders und das ist gut so.
Man muss sie nur nicht behindern, oder stören, dann entwickeln sie sich ganz individuell und wunderbar, als Teil gesunder menschlicher Vielfalt.
Find ich gut.
23.11.17, 19:08:48
55555
Oder geht es mehr darum zu erklären, was Autismus ist? Da wäre es, wenn du es erklärst bestimmt hilfreich erstmal da anzufangen, was bei dir eine Rolle spielt.
03.12.17, 08:34:34
Prometheus
Naja, zunächst sehe ich Autismus als eine andere Wahrnehmung der Umwelt an, er gehört zur natürlich en diversität und einzigartigkeit aller Menschen. Ich würde sagen, Autisten sind nicht Empathielos, wir zeigen es nur auf andere Weise.Auch dass wir schlichtweg sozial unbegabt wären, glaube ich nicht. Es gibt missverständnisse auf beiden Seiten. Die NA sind nicht unbedingt die besten Menschenversteher uns gegenüber, sonst würden sie uns nicht ständig von unserem "gar schrecklichem Leiden" "heilen" oder noch schlimmer "erlösen" wollen. Ich denke, dass Autismus genetisch definiert wird, es gibt also einen Autistischen Genotyp, aus dem der Autistische Phänotyp hervorgeht. In meiner Familie gibt und gab es sowohl väterlicherseits als auch mütterlicherseits Personen, die heutzutage sicherlich eine Diagnose bekommen würden.
03.12.17, 09:42:27
Antares
Dass die Nicht-Autisten so sind, liegt denke ich ausschließlich daran, dass sie die Mehrheit bilden. Wäre es umgekehrt:
- gäbe es überall Ruhezonen (öffentliche Einrichtungen wie Kitas, Schulen, Ämter, Flughäfen, Bahnhöfe...)
- wären Reize generell deutlich weniger (Lärm, Licht, Bewegung, Verschmutzung der Luft,...)
- würden Arbeitsabläufe anders strukturiert (sachlicher, nüchterner)
- wäre der Umgang miteinander direkter (ehrlich, fair,...)
Weil es den Autisten dann nicht sämtliche Mechanismen des Körpers, Geist und der Seele "zerschießen würde", ich traue mich wetten, wir würde die Nicht-Autisten ebenso "Negativieren", weil:
- sie komplett hektisch sind und zwanghaft eine Lernmethode brauchen, ohne Ruheräume
- sie Lärm, Lichter, Bewegungen und Schmutz in der Luft bevorzugen, Hädonismus zelebrieren
- sie dieses überemotionale, übertriebene Getue als wichtig empfinden
- sie Masken aufsetzen noch und nöcher und dauernd versuchen wer zu sein, der sie nicht sind
uvm. Letztendlich würde genau das Selbe passieren, wie jetzt anders herum. Aktuell sind wir jene, die als leidend gelten, weil wir Ruhebedürftig sind und ehrlich, Masken nicht wünschen und hier ganz andere Wege gehen, weil wir mehr Reize wahrnehmen, erinnern und in Verbindung setzen, ist das eine grundlegende Tendenz, vermutlich auch genetisch bedingt.
Nicht aber ist Autisten angeboren "moralisch und ethisch" eine "gute Einstellung" zu hegen. Ich kann mir gut vorstellen, dass es dann die Autisten wären, die mit Medikamenten versuchten den Nicht-Autisten "zu helfen" Ruhe genießen zu können, man würde vielleicht auch versuchen etwas gegen "Reizabhängigkeit die Suchtartig auftritt" zu tun, es würde diese "Überemotionalität als Maskenträger der nie er Selbst ist nach Außen" behandeln wollen und vielleicht würde man ihnen versuchen "beizubringen" wie man sein Inneres mit dem Äußeren in "Einklang" bringt, weil man sagen würde das wäre genau eben "nicht richtig".
Und schon hätte man exakt die Selbe Mühle los getreten, aufgrund einer Mehrheit die einer anderen Neurobiologie entspricht. Zudem können die Nicht-Autisten sehr viel überhaupt nicht wahrnehmen, weil sie die Reize gar nicht alle verarbeiten, sie lassen sie ja "einfach durch" ihren berühmten ganz perfekten Reizfilter wie sie ihn jetzt nennen.
Dann wären sie behindert, könnten nicht genügend Reize wahrnehmen, erinnern und verarbeiten, sie wären ja defizitär...
In der aktuellen Gesellschaftslage, wie die Menschen derzeit sind, auch wenn sie sich schon entwickeln könn(t)en, rein theoretisch zumindest, würde man aus Geschichte lernen beginnen, ist es immer so, dass es eine Minderheit gibt, die als "Minderwertig" bezeichnet wird. Eine Universell zu liebende Schöpfung, der Euthanasie fern ist oder eine "Genetische Perfektionslehre" gibt es derzeit nicht.
55555 hatte glaub ich einmal die Theorie aufgestellt, dass die Religionsführer Autisten gewesen sein müssen oder so etwas in der Art. Sieht man sich die Kontemplation an (Christen) oder die Meditation (Buddhisten) und wie positiv autistische Kinder auf so etwas reagieren, wenn man ein achtsames Leben in Einklang mit sich Selbst unter Liebe von Verschiedenheit (Diversität) geführt wird, dann finde ich diese Theorie gar nicht so abwegig.
Letztendlich wenn diese Wissenschaftsgläubigkeit wie sie derzeit existiert weiter pervertiert, sieht es schlecht aus mit der Menschheit. Rein theoretisch könnte man aber auch Wissenschaft anständig betreiben. Derzeit sind aber die FHs und Unis für Autisten weitestgehend nicht zugänglich (aufgrund Barrierelast). Ich z.B. kann FHs und Unis allein aufgrund deren fürchterlichen Strukturen im Räumlichen wie Didaktischen nicht nutzen und werde so niemals eine Dissertation schreiben, wenn sich das nicht ändert und so werden Richtungen von Menschen die so tief im Spektrum sind, in die Wissenschaft gar nicht (mehr) mit aufgenommen.
Die Norm stabilisiert sich somit selbst und bestätigt sich nur noch in sich selbst, wenn die Wissenschaftler ausschließlich noch aus der Norm bestehen und andere Neurologien keinen Zugang (mehr) zu diesem Bereich erlangen.
03.12.17, 10:16:39
Prometheus
Das ist eine recht interessante Aussage. Ich denke, sie könnte mich inspirieren, aber das sind ziemlich harte Worte gegenüber NA, auch wenn du damit recht hast.Einem Autisten würde ich Autismus so eher erklären als... gewisse NA-Definitionen. Es geht ja eher um gegenseitige Aktzeptanz als teil der Neurodiversität. Mal sehen wie es wäre, wenn es soetwas wie einen "Autistenstaat" gäbe, wo Autisten die Mehrheit wären... Religion für Autisten finde ich persönlich eher
Zwang als Befreiung. Ich bin in einer katholischen Familie aufgewachsen, aber selbst Atheistisch. Von nächstenliebe oder akkzeptanz lässt sich da nichts erkennen. Jeder legt sein "heiliges" Buch so aus wie es ihm am nächsten kommt unf andere Ansichten werden nicht toleriert. Mag sein, das Jesus/Mohammed/Moses Den Menschen die Botschaft der Liebe vermitteln wollte, aber Fanatiker interpretieren sie als Aufforderung Ungläubige zu töten und/oder mit zwang zu konvertieren.
03.12.17, 11:15:30
Antares
Ja natürlich, es ging mir auch nicht darum, was nun Fanatiker aus:
- Nächstenliebe / mitfühlende Zuwendung / Güte
- Schöpfungsgedanken / Verantwortungsgefühl
gemacht hatten. Mir ging es um die Grundlehre, z.B. bei Kontemplation und Meditation. Autisten können religiös sein oder auch nicht... wie die Nicht-Autisten auch. Das hat mit Neurobiologie nichts zu tun, hier ist man wieder bei Ethik und Moral, die aber ein Atheist ebenso pflegen kann, wenn er denn will.
Das Abschlachten ganzer Völker hat gewiss nichts mit Nächstenliebe zu tun und Schöpfungsliebe der Vielfalt und auch nicht mit Buddhistischen Ansätzen. Ebenso wie die Wissenschaft an sich, rein das Forschen und Abenteuerlust auf Entdecken nichts gemein hat mit dem Fanatismus der heutigen Wissenschaft, das ist ebenso eine Abart. Man könnte z.B. in der Wissenschaft auch den Käfer nicht erst aufspießen... bevor man ihn beobachtet, sondern z.B. Leben erforschen, nicht vernichten, weil dann kann man Leben nicht mehr erforschen.
Nicht-Autisten und Autisten nehmen sich in Nichts, was Ethik und Moral angeht, das war mir wichtig auszudrücken. Je nachdem wer die Mehrheit hat, bleibt aber in diesen beiden Punkten dann hängen, wie mit den Minderheiten verfahren wird.
Einen Autistenstaat wird es nicht geben (hoffentlich), er wäre ohne ethisch, moralische Grundsätze ebenso grausam, oder auch noch grausamer, weil die Autisten mehr wahrnehmen, erinnern und in Verbindung setzen (können).
Gelebte Diversität hoffe ich schon und hier sind es meist die Kleinigkeiten die alle zusammen so etwas möglich machen würden. Nur wenn sich die Menschen entscheiden z.B. Eugenik zu verbieten, oder auch Euthanasie "Behinderter" im Mutterleib, würde sich etwas verändern, wenn auch Menschen der Mehrheit beginnen würden Minderheiten als wertvoll zu schätzen. Welche Neurobiologie herrscht, ist aus meiner Sicht irrelevant. Ausschließlich der ethisch und moralische Maßstab, egal ob Autist oder Nicht-Autist setzt Grenzen, was Massenmord angeht, ob man z.B. Leben wenn es noch klein ist als generell Lebensunwert sieht (bis zum 3. Monat aktuell) oder ob man Behinderung als Lebensunwert definiert etc.
03.12.17, 12:33:22
Prometheus
Das mit dem "Autistenstaat" war nur ein Beispiel, aber ich habe in anderen Foren von Leuten gelesen, die soetwas wie auch immer umsetzen wollten. Jeder Mensch hat eine Ethik und Moral, es kommt nur darauf an, wie er sie auf jemand anwendet, wie auf Minderheiten. Auch die Ethik eines Fanatikers ist eine Ethik, wenn auch keine wünschenswerte. Eugenik wird es leider wohl irgendwie immer geben, es ändert sich nur, was als lebensunwert erachtet wird. Auch in einer Demokratie mit Menschenrechten wird einfach mit prätanalen Tests "getrickst".
03.12.17, 14:22:59
Antares
Genau, das wollte ich damit ausdrücken, es geht um die Wahl zu was man sich in Moral und Ethik entscheidet. Diese Wahl ist aber nicht davon abhängig, welcher Neurobiologie man angehört.
Ich glaube an "das Gute in mir" setzt ja voraus, dass man überhaupt diese Unterteilung in gut und böse macht etc. Eugenik gibt es nur! also wirklich ausschließlich wenn man das beschließt. Es gibt z.B. den Schöpfungsgedanken der sämtliche Menschen (egal wie), Tiere und Pflanzen, jegliche Existenz auf der Welt als Gottgegeben betrachtet und somit grundsätzlich als lebenswert sieht.
In der Kultur in der ich aufgewachsen bin, war das nicht ganz so ausgeprägt, sondern eher nur auf den Menschen bezogen, aber es gab keine Abtreibungen, auch wenn es dann ja rein theoretisch straffrei praktizierbar gewesen wäre. Erst viel später, als ich dann schon 20 war ging das dort los mit der "Predigt" bis zum 3. Lebensmonat ist das kein schützenswertes Leben und bei diesen Wesen gilt das Grundgesetz (noch) nicht, also können sie bedenkenlos abgetrieben werden.
Demokratie ist immer Mehrheitsentscheid, selbst das Grundgesetz ist mit einer ausreichenden Mehrheit änderbar. Wenn die Moral und Ethik umschlägt, lässt sich jegliche Grausamkeit der Welt sofort wiederholen in einer Demokratie, es müssen nur genügend dafür sein. Wie es eben nun mit den Euthanasieprogrammen als "Frauenrecht" geschieht, es trägt nun jede Frau selbst die Verantwortung für Aktion T4 2.0
03.12.17, 14:30:22
Antares
geändert von: Antares - 03.12.17, 14:39:02
Derzeit werden laut Statistik 800.000 Kinder pro Jahr in der BRD geboren
Derzeit werden laut Statistik 100.000 Kinder pro Jahr abgetrieben
etwa 4000 davon wurden sogar nach der 22. Woche aufgrund Behinderung nach dem 3. Monat getötet
etwa 90% der Gesamtabgetriebenen Kinder sind "behindert oder wegen sonstiger medizinischer Indikation" getötet worden
Also das sind ganz andere Zahlen wie T4 rechnet man das die Jahre hoch. 70.000 waren es nur in T4. Der einzige Unterschied ist das Alter, weil sie alle älter waren und schon auf der Welt. Dieses Töten im Mutterleib geht schnell, ungesehen, abgesaugt, niemand bekommt das großartig mit. Neurodiversität ist zwar möglich, aber mit einer Gesellschaft, in der 9 von 10 "behinderte Kinder" grundsätzlich getötet werden und 9 von 10 getöteten Embryonen "behindert oder anders medizinisch indiziert" sind - da seh ich erstmal nicht so richtig den Weg dahin, dass das schnell möglich wäre.
Meine Erfahrung ist, dass die Menschen, denen ich das versuche zu erklären, warum ich eigentlich 30 Jahre lang ganz ohne Diagnose und Pathologisierung zurecht kam und aus meiner Sicht das ruhig die nächsten 70 Jahre so hätte bleiben können - sie denken sich: die hat aber keine Krankheitseinsicht. Auch unter Autisten gang und gäbe.
03.12.17, 14:33:16
Prometheus
Mir hat mein Politik-Lehrer da etwas anderes erklärt(Grundgesetz), aber das war auch zu einer anderen Zeit. Aber gerade deswegen müssen wir einen Gegenstrom erzeugen mit unserer Meinung. Menschen werden nicht gut oder böse geboren, sie werden dazu gemacht. Es kommt immer auf die Gesellschaft an. Wir sind ein Teil der Gesellschaft, aber dennoch werden uns unter krummen Definitionen Grundrechte verwehrt.