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Diskriminierung untereinander

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01.05.17, 15:41:35

Kaleidoskop

Es gibt sie, diese schlaflosen Nächte, in denen ich mir über viele Dinge Gedanken machen. Heute Nacht habe ich zum Beispiel über das Thema Diskriminierung von scheinbar schwächeren gemacht.

Meine letzte Schule sein Gymnasium für blinde und sehbehinderte. Man sollte eigentlich erwarten, dass es hier keine Diskriminierung andere gibt. Weit gefehlt. Leute, die besser sehen, machen sich über schlechter sehen sehr lustig. Sehbehinderte allgemein, selbst wenn sie selbst fast schon als blind werden, machen sich über blinde lustig. Ich habe herausgefunden, dass es oftmals Menschen sind, die selbst nicht damit klarkommen, dass sie so schlecht sehen oder dass ihr Augenlicht plötzlich so schlecht wurde. Für mich ist es ehrlich gesagt ein Armutszeugnis. Darum hatten wir auch Sprecherin rum? Warum unterstützen wir sie nicht? Sie sind doch genauso Menschen wie vier.

Meine Hauptschule bestand aus zwei Bereichen, einen Bereich für blinde und sehbehinderte, wo auch Menschen untergebracht werden kommen, die Lernschwächen hatten und deinem Bereich für Gehörlose. Die Welt der Gehörlosen ist für blinde und sehbehinderte eine komplett unbekannt. Im Nachhinein schäme ich mich dafür, dass auch ich zu denjenigen gehörte, die Menschen als "Gehirnlose" bezeichnet habe. Dann gleichzeitig hat mich die Gebärdensprache eigentlich fasziniert tut es bis heute. Ich habe festgestellt, dass Menschen, die nichts oder nur wenig hören nicht weniger Intelligenz besitzen, als ich. Unsere Gesellschaft ist so strukturiert, dass es für diese Gruppierung extrem schwierig ist, ein Gymnasium zu besuchen. Es ist nicht unmöglich. Aber es ist extrem schwer. Ich habe irgendwann mal eine Doku über eine Frau gesehen, die Architektur studiert hat und selbst eine Architekturfirma leitet, obwohl sie nichts hört. Natürlich kann sie auch gebeten, sie hat gelernt, von den Lippen zu lesen und zu sprechen. Sie bekam im Laufe dieser Dokumentation so genannte Cochlea-Implantat Teil eingesetzt und hatte zum ersten Mal in ihrem Leben die Chance, zu hören. Für Sie ein vollkommen neues und irgendwie auch in mancher Hinsicht überfordern das Ereignis. Wenn sie nachts ihre Ruhe haben wollte, Hat sie die Implantate einfach raus genommen und hatte die gewohnter Stelle.

Jetzt, mit einer gewissen reife frage ich mich, warum wir nicht versuchen, Menschen mit anderen Handicaps zu verstehen. Mag sein, dass ein nicht sprechen der Mensch sich nicht verständlich machen kann, aber es gibt Menschen, die die Welt diese Menschen erklären können. Warum holen wir uns also nicht das nötige Verständnis, sondern machen uns einfach über diesen Menschen lustig? Selbst Menschen mit Autismus [Laut Forenregeln diskriminierender Begriff] werden von anderen Gruppierungen mit Handikap belächelt. Das wird darüber gespurtet, dass hier eine Routine brauchen. Keiner fragt, warum, was sie denken und fühlen. Ich habe keine Lust mehr, denn meiner beschränken Welt zu leben. Ich will über den Tellerrand schauen. Deshalb will ich zum Beispiel auch verstehen, warum Menschen sich gegenseitig diskriminieren. Ich glaube, das ist sogar unter verschiedenen Ausländergruppen beziehungsweise Menschen mit anderer ethnische und religiöse Herkunft sein. Dabei können wir von anderen Kulturen, Religionen und Menschen aus anderen Ländern doch eine Menge lernen.
Es ist für mich selbstverständlich, dass ich, wenn ich in einem neuen Land leben will, die Sprache und die wichtigsten Sitten und Benimmregeln lernen. Dasselbe erwarte ich auch von Menschen, die hier leben. Wenn ich die Menschen um mich herum nicht verstehe aufgrund der Sprachbarriere nehme ich mir jede Chance, mich zu integrieren und von meiner Umwelt zu lernen, beziehungsweise sie etwas zu lernen.
05.05.17, 12:07:45

feder

Ich halte mich nciht für einen Menschen mit Autismus [Laut Forenregeln diskriminierender Begriff]. Autismus ist nicht mein Anhängsel, das man einfach abschneiden könnte. Ich bin Autist und das kann auch nciht wegtherapiert werden.

Das, was Menschen nicht verstehen, scheint oft zu Abwehrreaktionen zu führen.
05.05.17, 15:26:05

Kaleidoskop

Sorry für die dumme Formulierung. Wollte nicht diskriminieren.

Ja, Fremdes scheint zu Abwehr bei vielen Menschen zu führen.

Wenn es sich ergibt - und ich nicht Angst habe, grenzüberschreitend zu sein, würde ich fragen , bis ich alles verstehe.
08.05.17, 20:05:01

HansWaldmeister

Mir geht es ebenso. Aber ich muss differenzieren:
Grundsätzlich habe ich für andere Menschen Verständnis und begegne ihnen freundlich. Besonders, wenn ich sehe, dass sie 'Behinderungen' haben. Ich merke selbst, wie schwer es manchmal für mich ist, mich richtig auszudrücken oder richtig zu reagieren, das will ich anderen nicht auch noch zumuten.
Allerdings bin ich manchmal auch gestresst oder in Eile und dann kann es sein, dass ich nicht mehr so hilfsbereit bin. Aber es gibt Abstufungen. Menschen mit Kinderwagen, Krücken oder Rollstühlen bekommen von mir zum Beispiel immer Vortritt.
Grundsätzlich bin ich aber immer neugierig auf Neues und Anderes. Ich habe vor Kurzem eine blinde Frau kennengelernt, mit der ich mich seitdem rege austausche, nicht nur, aber auch über ihre geringe Sehfähigkeit. Hätte ich sie nicht kennengelernt, hätte ich diesen Einblick gar nicht. Aber so freue ich mich, weil mein Horizont immer etwas mehr erweitert wird.
 
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