Community zur Selbsthilfe und Diskussionsforum für alle weiteren Fragen des Lebens. Fettnapffreie Zone mit demokratisch legitimierten Moderationsregeln.
Von Autisten lernen heisst lieben lernen. Ehrlich, nüchtern, authentisch, verrufen, fair, sachorientiert: autistisch.
- Für neue Besucher und Forennutzer gibt es [hier] eine Anleitung inkl. Forenregeln. -

Tipp: Wenn https bei der Forennutzung Probleme macht: autismus-ra.unen.de; wenn https gewünscht wird: autismus.ra.unen.de
 

Analphabeten und der Widerstand gegen fernschriftliche Kommunikation

original Thema anzeigen

24.12.13, 23:59:47

55555

Wenn tatsächlich nahezu 10% der deutschen Bevölkerung Analphabeten sind, dann gibt es aus dem Bedrüfnis dies zu vertuschen vermutlich auch immer mal wieder deswegen Probleme bezüglich barrierefreier Kommunikation mit Autisten?
Zitat:
Lange Zeit wussten nur ihre Mutter und ihre beste Freundin Bescheid. Dann kam diese Autofahrt, da war sie gerade seit zwei Monaten mit Enrico zusammen. Er holte sie vom Kino ab. "Ich habe geweint, er hat gefragt, was los ist." Sie erzählte ihm von dem Film, es ging um eine Analphabetin. Schließlich sagte sie: "Ich habe das auch." Er stutzte. "Was, du willst mich doch veräppeln?" Und dann erzählte sie ihm, warum sie behauptet hatte, lieber zu telefonieren, als SMS zu schreiben. Warum sie vor ihm nie am Computer schreiben wollte.

Quelle
25.12.13, 01:20:58

drvaust

Ich vermute, daß sich das kaum auf diese Bevorzugung von mündlicher und persönlicher Kommunikation auswirkt. Denn die funktionalen Analphabeten kommen kaum in Positionen, wo sie beruflich mit Fremden kommunizieren müssen. Das liegt vermutlich daran, daß NA großen Wert auf menschlichen Kontakt mit Mimik, Gestik, Klangfarben usw. legen.

Ich verstehe nicht, wie Analphabeten unbemerkt einen normalen Schulabschluß schaffen können. Wir wären damals, als Analphabeten, schon bei der Aufgabenstellung einer schriftlichen Arbeit gescheitert. Wenn man die Hälfte der Arbeitszeit für das Lesen der Aufgabenstellung braucht und dann mindestens die Hälfte der Arbeitszeit für die lesbare Formulierung der Lösung, reicht die Zeit nicht für das Lösen der Aufgabe. Ich hatte damals schon Probleme, weil ich sehr langsam schreibe (Mathe: 0 Fehler 5, nur die Hälfte geschafft). Wenn ich auch noch mit dem Lesen Probleme gehabt hätte, hätte ich die Schule nicht geschafft.
Irgendwie scheint Schule heutzutage anders zu funktionieren, so daß Lesen und Schreiben nicht mehr grundlegend ist.
25.12.13, 09:23:24

schuschu

weiss nicht, ob es allein nur daran liegt...wenn ich um fernschriftliche kommunikation bite..bekomme ich meist fogende antwort:
"das ist mir zu antsrengend, das nervt, reden ist einfacher und wenn ich die stimme höre, dann kann ich die antworten anders einordnen, wegen der schwingungen die ich in der tonlage des gesprochenen höre, so kann ich die emotionale lage, also wie es gemeint ist, besser einordnen.
ich kann mich besser verbal als in geschriebenen worten mitteilen."

einige dieser gründe gab ich anfnags auch an, da von mir schriftliche kommunikation bisher eher selten
genutzt wurde und es der übung bedarf..aber durch das forum und einiger autisten hier, die mit mir kommunizierten, lernte ich die schriftliche kommunkation schätzen. ich hab erfahren, wie sehr verbunden man sich auch ohne verbaler kommunikation fühlen kann..wie sehr auch da schwingungen rüberkommen können und ich meinen schreibpartner spüren konnte, fühlen konnte/ kann. ausserdem ist das schriftliche kommunizieren eine wunderbare art, sich selbst noch viel besser zu reflektieren, weil ich ja mitteilen möchte, so genau wie möglich, wie es mir mit etwas geht, wie genau eine situation war usw...also ist für mich die schriftliche kommunikation mittlerweile auch barrierefreier. stosse allerdings immer wieder bei anderen deshalb auf barrieren, weil die sich weigern.

25.12.13, 10:39:38

55555

Zitat von drvaust:
Denn die funktionalen Analphabeten kommen kaum in Positionen, wo sie beruflich mit Fremden kommunizieren müssen.

Denken wir nur mal an den ganzen Handwerkssektor, in welchem es oft ein besonderes Drama zu sein scheint schriftliche Anfragen zu beantworten.
25.12.13, 21:46:16

Perunica

Analphabetismus ist weiter verbreitet, als man denkt.
Ich habe aber nicht gedacht, das es so viele sind. Denn 7,5 Millionen sind doch eine große Anzahl.

Die häufigsten Ausreden , wie z.B. Brille vergessen, habe ich aber auch schon einige Male gehört.
Und auf Arbeit habe ich einem Klienten schon mal eine Verfügung vorgelesen und erklärt.
26.12.13, 12:47:36

drvaust

Ich denke, im Handwerk hat das andere Gründe.
Ein funktionaler Analphabet wird es sehr schwer haben, einen Meisterabschluß zu erreichen und eine Firma zu führen. Dagegen ein Handwerksgeselle könnte durchaus funktionaler Analphabet sein, aber der wird kaum für Kommunikation zuständig sein.
Im Handwerk geht es meistens, wie der Name schon sagt, um Handarbeit. Da ist Büroarbeit und Schreibkram verpönt, das muß der Meister machen oder die Sekretärin, wobei auch viele Meister Schreibkram meiden. Dazu kommt, daß einige Handwerker, berufsbedingt, schlecht schreiben können, weil eine Hand voller Schwielen schlechter zum Schreiben geeignet ist. Das ist auch eine Frage der Kultur, Schriftliches paßt nicht so zur Handwerkerkultur, das ist was für Sesselfurzer. ;) (ich bin u.a. Tischler)

Viele Menschen scheinen auch, im Laufe des Lebens, einen großen Teil ihrer erworbenen Fähigkeiten zu verlieren. Da hat einer, der mühelos die schriftlichen Prüfungen bestand, nach einigen Jahren Schwierigkeiten schriftlich zu kommunizieren.
 
Powered by: phpMyForum 4.1.55 © Christoph Roeder