15.02.14, 01:56:13
eraser
Ich sage den Leuten immer, dass die Filter fehlen (@55555 und jetzt bitte keine Debatte wegen meiner defizitären pathologisierenden Betrachtungsweise, sonst bin ich hier endgültig weg!)
Letztens hab ich einem Kind Autismus erklären müssen und ich sagte so sinngemäß, dass ich alles, was es zu hören gibt auch höre und alles, was es zu sehen gibt, auch sehe.
Es gibt ja solche Filme, zum Beispiel sagt man den Studenten, sie sollen darauf achten, wie oft die Blauen oder die Roten den Ball haben und mitten im Film läuft dann eine nackte Frau übers Spielfeld, die aber niemand sieht, weil normale Leute die Bälle zählen. Ich selbst bin ja erst auf die Idee gekommen, dass ich autistisch bin, weil diese Filme bei mir nicht funktioniert haben. Ich sah die Frau.
Diese Filme sind sehr akademisch und nicht kindgerecht, aber das Experiment wäre so: Man malt mit roter und blauer Kreide Striche an die Tafel (und grüne Punkte drum herum, die man nicht erklärt) und die Aufgabe für die Kinder ist, herauszufinden, wo mehr Striche sind und dann wischt man alles weg und fragt, welche Farbe die Punkte drum herum hatten. Das war nicht die Aufgabe, aber ein Autist hätte auch die grünen Punkte bemerkt und vielleicht sogar gezählt oder nachgefragt.
Da werden sicher auch "normale" Kinder sein, die nach den grünen Punkten fragen und dann kann man erklären, dass jeder Mensch ein bisschen autistisch ist und je nachdem, wie man lernt, damit umzugehen, dass man jede Sekunde so viele Dinge sieht und hört und riecht, je nachdem ist man eben mehr oder minder abgelenkt von den Dingen, die andere (zum Beispiel Lehrer) gerade wichtig finden.
Ein Integrationshelfer sagt also dem Autisten, was gerade wichtig ist und was nicht von all den vielen Eindrücken der Welt. Und das kennen die Kinder ja, jeder schaut gern mal aus dem Fenster, weil da gerade zwei sehr interessante Krähen sehr laut streiten und - was hat der Lehrer gerade gesagt? Keine Ahnung, die Krähen waren zu laut. Das müssen die Kinder verstehen: selektive (also auswählende) Wahrnehmung ist anstrengend, wenn man keine Filter hat.
LG, e.
15.02.14, 12:12:21
55555
Man malt mit roter und blauer Kreide Striche an die Tafel (und grüne Punkte drum herum, die man nicht erklärt) und die Aufgabe für die Kinder ist, herauszufinden, wo mehr Striche sind und dann wischt man alles weg und fragt, welche Farbe die Punkte drum herum hatten. Das war nicht die Aufgabe, aber ein Autist hätte auch die grünen Punkte bemerkt und vielleicht sogar gezählt oder nachgefragt.
Nun kennen Autisten aber durchaus auch Zustände, in denen sie sich so in etwas vertiefen, daß das Drumherum ausgeblendet wird. Also wäre ich vorsichtig das als striktes Unterscheidungsmerkmal zu empfehlen, weil es in der Praxis dann zu Fehlschlüssen von NA kommen könnte.
15.02.14, 16:24:06
drvaust
Autisten sind, mehr oder weniger, normale Menschen. Nur bestimmte Eigenschaften sind tendenziell etwas anders. Deshalb verhalten sich Autisten auch meistens normal. Aber diese kleinen Abweichungen können sich unter NT zu großen Problemen auswachsen, wenn die Umwelt auf strikter Normalität besteht und keine Abweichung toleriert.
... Und das kennen die Kinder ja, jeder schaut gern mal aus dem Fenster, weil da gerade zwei sehr interessante Krähen sehr laut streiten und - was hat der Lehrer gerade gesagt? Keine Ahnung, die Krähen waren zu laut. Das müssen die Kinder verstehen: selektive (also auswählende) Wahrnehmung ist anstrengend, wenn man keine Filter hat. ...
Das ist ein gutes Beispiel, das kennen alle Kinder. Bei Autisten kommen nur mehr interessante Ablenkungen dazu, die schlecht ausgeblendet werden können, z.B. die Fliege im Raum, das Muster der Sonnenstrahlen usw.. Insgesamt belastender.
15.02.14, 19:58:13
Fundevogel
Können erwachsene Autisten auf Grund ihrer gewonnenen Erfahrungen nichtautistische Sichtweisen einnehmen, wenn sie als Schulbegleiter für die ihnen anvertrauten Kinder "übersetzen" müssen?
16.02.14, 04:38:11
drvaust
Können erwachsene Autisten ... nichtautistische Sichtweisen einnehmen, ...
Leider ja. Es gibt Autisten, die eine nichtautistische Sichtweisen haben und davon überzeugt sind. Diese sehen sich selber als fehlerhaft und quälen sich zur 'Normalität'.
Ich vermute aber, Du meinst 'Können erwachsene Autisten ... nichtautistische Sichtweisen
verstehen'. Das müßte, aufgrund der Erfahrungen, einigermaßen möglich sein. Ein Schulbegleiter sollte das können, um es eben erklären zu können.
22.02.14, 17:22:27
Gast
Ich sage den Leuten immer, dass die Filter fehlen (@55555 und jetzt bitte keine Debatte wegen meiner defizitären pathologisierenden Betrachtungsweise, sonst bin ich hier endgültig weg!)
da wirft man einen mutwillig konstruierten köder aus, weil man eh nicht bald wiederkommen will und dann beißt er nicht mal an. :D
22.02.14, 23:42:48
drvaust
... einen mutwillig konstruierten köder ...
Ich sehe das nicht als mutwillig konstruierten Köder, sondern als eine Formulierung, die umstritten ist.
Denn ich sehe keine Absicht, zu provozieren oder Jemanden herauszufordern.
Die Grundaussage entspricht den Tatsachen, nur könnte man das vielleicht positiver formulieren. Ich weiß aber auch keine positivere Formulierung, ohne umständliche Erklärungs-Referate.