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17.07.13, 20:03:23

Miri

geändert von: Miri - 18.07.13, 18:34:20

Realname des Bruders entfernt, der könnte ihn evtl. in Schwierigkeiten bringen. [drvaust]

Hey (:

Ich (16 Jahre alt) bin neu hier und würde gerne Tipps bezüglich meines Bruders (13, Asperger Autist) erhalten.

Ich lebe zusammen mit meinen Eltern und mit meinem Bruder in einem Haus und die aktuelle Situation ist sehr frustrierend. Meine Mutter ist die einzige, der er sich anvertraut und auf die er sich zu 100 % verlässt. Dies ist aber eine große Belastung für meine Mutter, denn sie kann nicht mehr schlafen und ist sozusagen "mit ihren Nerven am Ende"! Zu dieser seelischen Belastung kommt aber auch noch dazu, dass mein Bruder seit einiger Zeit sehr wenig isst, und somit Magersüchtig ist.

Ich würde ihr gerne Helfen ich weiß aber nicht wie.? Meine bisherigen Versuche auch zu helfen blieben erfolglos, denn jedes mal wenn ich was sage, hört er mir entweder nicht zu oder ich werde von ihm zurückgewiesen und er sagt ich soll leise sein oder wird manchmal sogar leicht aggressiv.
Mein Vater befindet sich in einer ähnlichen Situation wie ich und kann ihm leider auch nicht helfen und somit muss meine Mutter diese Belastung größtenteils alleine Stemmen. Meine Mutter macht mit ihm Hausaufgaben, lernt mit ihm, sagt ihm 20x am Tag dass er an die frische Luft gehen soll, sagt dass er essen soll, usw...

Es ist schwierig mit ihm umzugehen und ihm zu erklären dass wir ihm nur helfen wollen.

Die Ärzte/Psychologen weisen sogar schon auf einen längeren Krankenhausaufenthalt hin, da er zu wenig isst und zu sehr von meiner Mutter abhängig ist.

Natürlich ist dass für meinen Bruder eine "horror Vorstellung" und freiwillig würde er dies niemals machen. Er ist der Meinung es geht ihm gut und er braucht so etwas nicht.

Sein täglicher Alltag sieht in etwa so aus:

Er geht morgens zur Schule, macht anschließend seine Hausaufgaben und sitzt den restlichen Tag im Haus und liest und schreibt. Er kann alleine die Hausaufgaben nicht machen und er kann nicht alleine lernen, immer muss meine Mutter dafür sorgen dass er im Alltag über die Runden kommt.

Er hat kaum Freunde, und geht auch nicht ohne eine vorherige Aufforderung dorthin.

Am aller meisten bedauere ich aber den Alltag meiner Mutter, denn sie muss sich rund um die Uhr um meinen Bruder kümmern und hat kein eigenes Leben mehr. Ich würde ihr so gern helfen aber mein Bruder lässt mich nicht an an sich heran.

Was soll ich machen?

Vielen Dank im Voraus! ((:
17.07.13, 21:23:14

akurei

Hallo.

Zitat von Miri:
Dies ist aber eine große Belastung für meine Mutter, denn sie kann nicht mehr schlafen und ist sozusagen "mit ihren Nerven am Ende"!
Wieso ist es für eine Mutter eine Belastung sich um ihr Kind zu kümmern? Steckt da mehr dahinter?

Zitat von Miri:
Zu dieser seelischen Belastung kommt aber auch noch dazu, dass mein Bruder seit einiger Zeit sehr wenig isst, und somit Magersüchtig ist.
Gibt es hier grundsätzliche Definierungsunterschiede? Magersucht beschreibt einen Zustand, in dem die betreffende Person bewußt auf soviel Nahrung wie möglich verzichtet. "Einfach nichts zu essen", wie das hier der Fall zu sein scheint beschreibt keine Magersucht sondern kann z.B. auf generelle Appetitlosigkeit zurückgeführt werden. Auch haben Autisten oft Probleme, bestimmte Dinge in den Mund zu nehmen. Habt ihr mit ihm darüber gesprochen, welche Speisen ihm gut schmecken und welche er auch in den Mund nehmen kann?

Zitat von Miri:
Meine Mutter macht mit ihm Hausaufgaben, lernt mit ihm, sagt ihm 20x am Tag dass er an die frische Luft gehen soll, sagt dass er essen soll, usw...
Wieso wird ihm zwanzig Mal am Tag gesagt, er solle an die frische Luft gehen? Was genau heißt das und wieso ist das im Erziehungsstil deiner Mutter so wichtig?

Zitat von Miri:
Es ist schwierig mit ihm umzugehen und ihm zu erklären dass wir ihm nur helfen wollen.
Aha? Das liegt meistens am Unvermögen der umliegenden Nichtautisten. Sowie Kommunikation mit einem Gehörlösen anders funktioniert, kann ähnliches auch bei Autisten vorliegen. Natürlich dann wieder anders. Was habt ihr alles schon probiert und welche Probleme ergeben sich aus seiner Weigerung, verbal zu kommunizieren so wie es ja meistens gewünscht ist?

Zitat von Miri:
Die Ärzte/Psychologen weisen sogar schon auf einen längeren Krankenhausaufenthalt hin, da er zu wenig isst und zu sehr von meiner Mutter abhängig ist.
Das überrascht mich nicht. Die Medizin ist bzgl. des Themas Autismus auf einem vorsintflutlichen Stande.

Zitat von Miri:
Er geht morgens zur Schule, macht anschließend seine Hausaufgaben und sitzt den restlichen Tag im Haus und liest und schreibt. Er kann alleine die Hausaufgaben nicht machen und er kann nicht alleine lernen, immer muss meine Mutter dafür sorgen dass er im Alltag über die Runden kommt.
Warum kann er das nicht? Beschätigt er sich selbst?

Zitat von Miri:
Er hat kaum Freunde, und geht auch nicht ohne eine vorherige Aufforderung dorthin.
Was ist das Problem daran? Ist er mit der Situation glücklich?

Zitat von Miri:
Am aller meisten bedauere ich aber den Alltag meiner Mutter, denn sie muss sich rund um die Uhr um meinen Bruder kümmern und hat kein eigenes Leben mehr.
Nochmals: diese Haltung verstehe ich absolut nicht. Es wäre wohl besser aufzuhören zu sich selbst grundlos zu bedauern und stattdessen mit dem Kennenlernen, Vermitteln und Akzeptieren der Andersartigkeit des eigenen Nachwuchses zu beginnen?
17.07.13, 21:46:47

Antika

Könnte hier jemand bitte den Realnamen des Bruders von Miri wieder entfernen?
Der gehört meiner Meinung nach nicht hier her.
18.07.13, 00:23:11

drvaust

Miri, welche Probleme hat Dein Bruder?
Warum kann er Hausaufgaben nicht alleine machen? (Ich hatte da auch Schwierigkeiten.)
Warum soll er an die frische Luft gehen? (lüften? Bewegung?)
Warum ißt er zu wenig? Würde er andere Nahrung essen? Vergißt er das Essen?
Da scheint Einiges schon länger schlecht zu laufen. Vielleicht gibt es geeignete Lösungen. Vielleicht gibt es Verständigungsprobleme? Schreib mal mehr zu den konkreten Problemen.

18.07.13, 10:08:07

Cathryn

Was mich solchen Anfragen immer wieder verwundert ist, warum fragt niemande den Betrofenen: Warum isst du so wenig? Warum magst du nicht rausgehen? etc. Basierend auf den Antworten, kann man dann weiternachdenken. Spekulieren hilft meist gar nichts.

Mir ist das schon haeufiger aufgefallen, das Eltern und Geschwister fast nie nachfragen, sondern einfach bestimmen, das Dinge so sein sollen.
18.07.13, 18:42:44

Miri

geändert von: Miri - 18.07.13, 18:50:35

Zitat von Antika:
Könnte hier jemand bitte den Realnamen des Bruders von Miri wieder entfernen?
Der gehört meiner Meinung nach nicht hier her.

Da hast du Recht, darüber habe ich mir kaum Gedanken gemacht. Danke für den Hinweis (:

Wir wollen meinen Bruder in keinster Weise verändern, im Gegenteil wir sind froh dass er so ist wie er ist, aber der Autismus bringt eben auch seine Schattenseiten mit sich. Wir machen uns Sorgen, da er kaum selbstständig ist und es nicht einsieht etwas alleine zu machen.
Meine Mutter liegt deswegen Nächtelang schlaflos im Bett, weil sie sich Sorgen macht.

Mein Bruder isst aus Angst dick zu werden wenig. Wir orientieren uns immer nach seinem Geschmack, aber es ist trotzdem meistens sehr wenig. Manchmal wenn er etwas mehr ist, stellt er sich Abends auf die Waage, stellt dann fest dass er mehr wiegt als zuvor und isst am nächsten Tag wieder weniger. Wir haben auch schon die Waage versteckt, um dies zu vermeiden und wir reden natürlich mit ihm über dieses Problem.

Es ist so, dass mein Bruder großes Interesse an geschichtlichen Themen hat, sowie an Fremdsprachen, aus diesem Grund verbringt er die meiste Zeit im Haus mit seinen Büchern. Und ich denke es ist für jeden Menschen wichtig an die frische Luft zu gehen und sich zu bewegen.

Bezüglich seinen Hausaufgaben, ist es so, dass er sehr Pflichtbewusst ist und jedes kleine Detail genaustens beantwortet haben will.

Es kann sein, dass viele meinen Beitrag falsch aufgefasst haben, aber ich hoffe ich habe euch nun das Problem richtig geschildert.

18.07.13, 20:28:45

55555

Zitat von Miri:
aber der Autismus bringt eben auch seine Schattenseiten mit sich. Wir machen uns Sorgen, da er kaum selbstständig ist und es nicht einsieht etwas alleine zu machen.

Das hat mit Autismus nichts zu tun, denn das Kriterium trifft offensichtlich nicht auf viele Autisten zu. Wie selbstständig sollte ein Junge in dem Alter nach eurer Vorstellung sein?
Zitat:
Meine Mutter liegt deswegen Nächtelang schlaflos im Bett, weil sie sich Sorgen macht.

Dann sollte ihr vielleicht auch mal klargemacht werden, daß das nicht gesund ist und, daß sie das selbst ändern kann, in dem sie ihre Einstellung ändert.
Zitat:
Mein Bruder isst aus Angst dick zu werden wenig.

Ist bekannt woher er das hat? Sowas denkt sich ein Junge in dem Alter wohl nicht selbst aus?
18.07.13, 20:31:47

Antika

Wo Licht auf etwas auftrifft, da gibt es natürlich auch Schatten. Licht und Schatten gehören zueinander.....ich persönlich sehe eine Schattenseite daher nicht als etwas negatives an.

Sich Sorgen machen hilft meiner Meinung auch niemanden wirklich weiter....jedoch kann ich schon verstehen, dass man sich in gewisser weise schon manchmal Gedanken macht.

Was ist daran schlimm, wenn jemand versucht sein Gewicht zu halten und sich aus diesem Grund öfters einmal wiegt? Für deinen Bruder scheint dies nun einmal wichtig zu sein. Mein Sohn hat sich früher auch oft Gedanken über sein Gewicht gemacht, er wollte auf keinen Fall an Gewicht zunehmen. Daher achtete er genau darauf was er an Nahrung zu sich nahm.

Er bekam von seinen Mitschülern dann den Spitznamen: "tapezierter Knochen" verpasst.....er lebte lange Zeit "nur" von Haferflockenbrei. Heute nimmt er jedoch auch manchmal noch andere Nahrung zu sich. Sein Essverhalten hat sich immer mal wieder verändert....dennoch ist sein Haferflockenbrei auch heute noch eines seiner Lieblingsspeise.

Frische Luft bekommt man auch, wenn man das Fenster mehrmals am Tag öffnet....dafür muss man nicht unbedingt nach draußen. Und wenn er zur Schule geht, dann ist das ja auch schon Bewegung.

Ich selbst habe als junger Mensch auch sehr viel Zeit in der Wohnung verbracht, und ich mache es auch heute noch so. Draußen ist es mir im Sommer oft viel zu heiß und viel zu laut. Dennoch haben sich im Laufe meines Lebens immer mal wieder meine Vorlieben geändert, und dann gab es Zeiten wo ich mich sehr gerne draußen aufgehalten habe.

Heute treibe ich so gar regelmäßig Sport und bewege mich auch ansonsten sehr viel....früher war ich für die anderen Menschen ein typischer Stubenhocker.

Die meisten Eltern machen sich meiner Meinung viel zu viele Gedanken über eigentlich ganz belanglose Dinge in diesem Leben.
19.07.13, 14:28:19

Bicycle

Wenn man sich Sorgen macht, hat man Angst. Vor was habt ihr Angst?

Eventuell stehen einfach nur die Dinge, bei denen er Hilfe oder einfach die Anwesenheit einer zweiten Person braucht, im Mittelpunkt oder sind zeitintensiv, wodurch sie mehr auffallen.
Dadurch kann der Eindruck von starker Unselbstständigkeit schneller entstehen.

Achtet er auf Fett, Kalorien etc.? Findet er sich selbst zu dick und möchte auch immer weiter abnehmen oder möchte er einfach nur nicht zunehmen?
Vielleicht bedeutet das für ihn einfach Stabilität, wenn er immer ein in etwa gleiches Gewicht hat. Die Waage zu verstecken macht keinen Sinn.
Vielleicht würde er dann versuchen sein Gewicht anhand des Spiegelbilds zu schätzen und würde durch schnell entstandene falsche Wahrnehmung dann erst die eigentliche Magersucht entwickeln.
Bisher scheint er nur einfach nicht zunehmen zu wollen, woran ich nicht zwangsweise etwas falsches erkennen kann.
19.07.13, 17:49:54

schuschu

hallo miri,

mein sohn ist nun 15 aus meiner erfahrung kann ich sagen, dass er , wenn er eine barrierefreie umgebung hat und sein leben nach seinen eigenen gesetzmässigkeiten leben kann ( aufstehen, wenn sein biorythmus ihn aufwachen lässt..waschen und anziehen, wenn es in seinem system sich passend und richtig anfühlt, sich mit den dingen die für ihn grad interessant und daher wichtig sind, sich beschäftigen können, er für seinen alltag seinen ureigenen rythmus hat) ( barrieren ausgeräumt sind weitestgehend..dazu frag am besten deinen bruder, was er als barrieren empfindet, was ihn überlasdtet..er bat dich zum beispiel darum leiser zu sprechen..wäre ein hinweis auf ein sehr empfindssames gehör), kaum hilfen braucht..also die energie und die recourcen dafür frei hat.

als er früher einen zeit und alltagsplan hatte, der ihm sein leben vorgab, hatte er kaum bis gar keine kraft sch anzuziehen waschen oder sonst noch was.

das wichtigste was geschehen konntewar, dass er barrierefrei leben und lernen kann ioch voll und ganz bejahend hinter ihm stehe...auch wenn er nicht an die frische luft mag..wopbei das nun von ihm selbst kommt, dass er gerne raus möchte in die natur...aber eben auch nur, weil er durch die möglichkeit nach seinen eigenen gesetzmässigkeiten zu leben..und nicht damit hinterfragt wird, genug freude und kraFT daran hat.

dein bruder wirkt auf mich so, dass er sehr wohl sehr gut selbst weiss, was gut für ihn ist...gottseidank..versucht einfach mitzufliessen in seinem rythmus ohne euch selbst dabei verbiegen zu müssen.

ich bin alleinerziehend und levbe mit meinem sohn ..aber herausfordernd empfasnd ich es nur dann, wenn ich versucht habe, den gesellschaftlichen normen mich als auch ihn anzupassen( frische luft gehen..bestimmte menge an essen zu sich nehmen...hausaufgaben machen...freunde haben müssen)

seitdem ich diesen anspruch losgelassen habe..gehts uns beiden sehr gut..und ich fühl mich , obwohl alleine mit meinem sohn, keines wegs überfordert damit....was mich überfordert sind die einstellungen und gesellschaftlichen ansichten, die immer wieder mal versucht werden uns überzustülpen.

wenn du oder deine mutter oder familie meinen denkansatz interessant finden, können wir uns gerne privat austauschen..meld dich dann einfach über pn.

im, übrigen möchte ich mich meinen vorrednern anschliessen und stimme in dem von ihnen geschriebenen zu.
20.07.13, 02:41:32

drvaust

Zitat von Miri:
Mein Bruder isst aus Angst dick zu werden wenig. ... Manchmal wenn er etwas mehr ist, stellt er sich Abends auf die Waage, stellt dann fest dass er mehr wiegt als zuvor und isst am nächsten Tag wieder weniger. ... wir reden natürlich mit ihm über dieses Problem.
Wißt Ihr, warum er nicht zunehmen will? In seinem Alter, 13, ist Wachstum und Zunehmen, je nach körperlichem Entwicklungsstand, normal. Er wird erwachsener und bekommt mehr Muskelmasse. Vielleicht solltet Ihr ihm das mal genau erklären. Autisten lernen mehr verstandesmäßig, weniger durch nachmachen. Evtl. könnt Ihr ihm erklären, welches Gewicht für ihn normal/optimal/empfohlen ist und einen 'Gewichtsentwicklungsplan' aufstellen.
Oder will er nicht erwachsen werden, hat Angst vor den neuen Anforderungen und ist schon jetzt überfordert? Das ist eine häufige Ursache für Magersucht. Wenn er nur sein Gewicht halten will und das kontrolliert, ist es nicht schlimmer. Es gibt auch Jugendliche, die sich weghungern wollen.

Will er selbstständig werden, ein eigenes selbstbestimmtes Leben führen? Ist er damit überfordert? Denkt Ihr, er kann nicht selbstbestimmt leben, weil er sich nicht normal verhält? Vielleicht sperrt er sich, weil er überlastet ist und seine Ruhe haben will.
Wißt Ihr, warum er nicht aus dem Haus geht? Lesen kann er auch auf einer Parkbank (oder am offenen Fenster). Vielleicht ist ihm der Betrieb außer Haus zu anstrengend (Licht, Lärm, Bewegung, aufdringliche Menschen usw.). Oder wird er in der Nachbarschaft gemobbt.
23.07.13, 11:59:05

Saoirse

@Miri

Mach doch mal deinen Bruder auf dieses Forum aufmerksam. Sag ihm, dass es hier Leute gibt, die so ticken wie er selbst - wenn er Probleme hat, wo er den Eindruck hat, dass ihn da keiner versteht. Oder dass er hier auch Leuten PM schreiben kann, wenn er nicht will, dass sein Zeug jeder mitlesen kann (z.B. du ;) ).

Davon abgesehen, möchte auch ich dir ein paar Denkanstöße geben (womit ich dich nicht anmachen oder beleidigen will - Denkanstöße eben. Wenn die nichts für dich sind, verschwende keinen Gedanken dran):

- In deinen Postings wird mir nicht recht deutlich, wem du eigentlich helfen willst: Deiner Mutter (hat sie sich dir eigentlich drüber mitgeteilt, wie sie sich warum fühlt, oder vermutest du das nur?), deinem Bruder oder: Willst du auch ein Stück weit Hilfe für dich, weil sich deine Mutter anscheinend nur um deinen Bruder kümmert, so dass du dich vernachlässigt fühlst?

- Du schreibst, dass sich dein Bruder sich dir nicht öffnen und von dir helfen lassen will und er mitunter aggressiv auf deine diesbezüglichen Versuche reagiert.
Hast du mal drüber nachgedacht, ob es eine Rolle spielen könnte, dass er ein pubertierender Junge ist, du aber eine junge Frau und auch noch die ältere Schwester bist? Zudem mögen kleine Geschwister es allgemein häufig nicht besonders, wenn ältere Geschwister ihnen zu sehr auf die Pelle rücken - erst recht nicht bei Geschlechtsunterschieden. Das hat allerdings nichts mit Autismus zu tun, dass es da zur Abgrenzung und Rückzug kommen kann.
Hast du mal versucht, ihm zu schreiben, und ihm darin deine Ansichten und Gefühle bezüglich eurer Situation, seiner und deiner Person mitzuteilen?


- Was mir in deinen Beiträgen auffällt, ist, dass du das "wir" der Familie - deine Mutter, dich und deinen Vater - deinem Bruder gegenüberstellst, so wie in
Zitat:
Es ist schwierig mit ihm umzugehen und ihm zu erklären dass wir ihm nur helfen wollen.
Was glaubtst du, wie er sich fühlt, wenn er aus diesem "wir" der Familie so ausgegrenzt wird? Und wie er sich fühlt, dass er möglicherweise direkt oder indirekt eben das, dass
Zitat:
wir ihm nur helfen wollen
anscheinend häufiger aufs Butterbrot geschmiert bekommt?
Es gibt da so einen Spruch: "Alle wollen nur meine Bestes - aber ich geb´s ihnen nicht."... ;)

- Du schreibst an einer Stelle:
Zitat:
Wir wollen meinen Bruder in keinster Weise verändern, im Gegenteil wir sind froh dass er so ist wie er ist, aber der Autismus bringt eben auch seine Schattenseiten mit sich. Wir machen uns Sorgen, da er kaum selbstständig ist und es nicht einsieht etwas alleine zu machen.

Aber auf der anderen Seite machst du ziemlich deutlich, dass ihr, zumindest du, ihn ändern wollt: Er soll selbstständiger sein, mehr Sachen allein machen, mehr Freunde haben und diese besuchen, mehr an die frische Luft gehen, besser essen ...
Was glaubtst du, wie sich dein Bruder fühlt, wenn ihr (und vielleicht auch andere) laufend mehr oder weniger "durch die Blume" zu verstehen gebt: Du bist falsch, solange du nicht funktioniertst, wie wir es für richtig halten?


- Hast du mal überlegt, ob zusätzlich die Art, wie du (und ggf. dein Vater) allgemein deinem Bruder begegnest und mit ihm redest eine Rolle spielen könnte, dass er so auf dich reagiert? Anders gefragt: Siehst du ihn als "Behinderten", den du gern haben musst, weil er dein Bruder ist und er sozusagen "ja nichts für seine Behinderung kann" - oder als Menschen, der halt so seine Eigenheiten hat so wie du deine Eigenheiten hast?

- Und falls du ihn als "Behinderten", halt als "Autisten" siehst: Woher hast du deine Info über diesen Persönlichkeitstyp? Von deinen Eltern, von Ärzten, aus Fachbüchern? Oder auch von Leuten, die dir dazu etwas aus der Innenperspektive sagen können?
Bist du dir sicher, dass du das, was du über autistische Besonderheiten gelernt hast, dahingehend
Zitat:
verstehst
, dass du nachvollziehen könntest, wie sich dein Bruder angesichts dessen fühlt, wie du, deine Familie, andere Dritte mit ihm umgehen und wie seine Umwelt auf ihn wirken könnte? Und beachtest du, dass das, was auf manche Autisten zutrifft, z.B. nicht notwendigerweise auf deinen Bruder oder nicht auf diese Weise?


- Wegen des Verhaltens deiner Mutter gegenüber deinem Bruder, ihrer Erschöpfungsanzeichen und der von dir wahrgenommenen Unselbständigkeit deines Bruders: Ohne deiner Mutter zu nahe treten zu wollen: Weißt du, was "Helfersyndrom" (hat 55555 schon angedeutet) ist?

Dabei besteht in so einer Konstellation die Gefahr, dass der Hilfeempfänger sozusagen mehr Hilfe bekommt als er tatsächlich aktuell braucht. Dabei setzt der Helfer als Kritierium für seine Hilfe häufig nicht an, was der Hilfeempfänger tatsächlich an Hilfe benötigt, sondern was der nach Dafürhalten des Helfers braucht. Indem der Helfer definiert, welche Hilfe nötig ist, hat er eine gewisse Herrschaft über den Hilfeempfänger, woraus er Befriedigung gewinnen kann.
Gleichzeitig lernt der Hilfeempfänger einerseits, dass er offensichtlich die Hilfe des (dieses) Helfenden braucht - mitunter über das tatsächlich Erforderliche hinaus - und ohne ihn kaum existieren kann. Im Zweifelsfall kommt der Hilfeempfänger dann nicht drauf, dass er unter geeigneten Bedingungen durchaus in der Lage ist, allein Dinge hinzubekommen ("erlernte Hilflosigkeit") und dass er danach streben sollte. Das kann dann bis dahin gehen, dass der Helfende den Hilfeempfänger faktisch entmündigt und beansprucht für ihn sprechen zu können oder müssen - in der falschen Annahme, der Hilfeempfänger könne das nicht und er verstehe ihn besser als der sich selbst.
So konditionierte Hilfeempfänger können dann dem "Helfenden" (auf den er scheinbar unabdingbar und auf diese Weise angewiesen ist) große Dankbarkeit und eine gewisse Anhänglichkeit entgegenbringen - ein weitere Befriedigung für den Helfer, die sein Selbstwertgefühl unterstützt und seinem Handeln Recht zu geben scheint.
Da der Helfende dieses Helfen quasi als Lebensaufgabe ansieht, braucht er den Hilfeempfänger und hält ihn darum unbewusst in einer Abhängigkeit, die verhindert, dass der Hilfeempänger tatsächlich selbstständig und für sich verantwortlich werden kann. Würde das nämlich geschehen, ginge dem Helfer seine Lebensaufgabe (und Existenzberechtigung) verloren. Andererseits kann dieses andauernde Helfen-wollen-Müssen zum Burnout des Helfers führen, der die Ursache aber nicht ausmachen kann. Es kann dann sein, dass Helfer als auch Hilfeempfänger ohne Hilfe von außen aus der Situation nicht mehr rauskommen können.

Ob das auf deine Mutter zutrifft, kann ich natürlich nicht einschätzen, aber vielleicht ist das mal ne Überlegung wert.

Ansonsten finde ich das, was schuschu über das Zusammenleben mit ihrem Sohnemann geschrieben hat, eine Überlegung wert.

Grüße, Saoirse

P.S: Falls sich nun wer angegriffen fühlt oder so, bitte PN, so dass wir das klären können.
 
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