Mein Sohn darf nicht in die Schule, Was Tun?
07.11.11, 19:25:40
Santa-Fee
Hallo an alle,
jetzt habe ich mal ein Problem und hoffe, dass ich hier bei Euch ein paar Lösungsansätze erhalte.
Mein Sohn hat Atypischen Autismus. Seit diesem Schuljahr hat er auch eine Schulbegleiterin, die ihn Vollzeit begleitet.
Im letzten Jahr hatte es immer wieder unvorhersehbare Probleme gegeben, da er (für NA's) unvorbereitet auf die anderen Kinder "losging". Nun ja, ich denke, zum Teil wollte er halt damit gewissen Stress kompensieren. Zu guter Letzt forderte die Schule einen "Vollzeit-Schulbegleiter". Ohne geht's gar nicht, meinte die Schulleitung.
Nun, wie gesagt, jetzt hat er eine Schulbegleitung, die ihn auch gut unterstützt. Jetzt zu meinem Problem: Die Schulbegleiterin ist diese Woche krank und nun fordert die Schulleitung, dass mein Sohn so lange zu Hause bleibt. Ich kann im Moment mit dieser Situation gar nicht umgehen. Wer kann mir da bitte mal helfen? Kann es wirklich sein, dass die Schule das Kind so ohne weiteres ausschließen darf. Ich habe einfach das Gefühl, dass die Schule meinen Sohn gar nicht dort haben will.
Danke schon mal für Eure Hilfestellung
Gruß Santa-Fee
07.11.11, 19:53:52
55555
Onlinebeschulung?
07.11.11, 22:33:59
drvaust
Im letzten Jahr hatte es immer wieder unvorhersehbare Probleme gegeben, da er (für NA's) unvorbereitet auf die anderen Kinder "losging". Nun ja, ich denke, zum Teil wollte er halt damit gewissen Stress kompensieren.
Ist es erklärlich, warum er "auf die anderen Kinder "losging""? Gibt es Anzeichen, wann so etwas droht? Könnten das die Lehrer erkennen und vorbeugen?
Wenn Ja, dann müßte man von den Lehrern eigentlich erwarten können, daß sie entsprechend vorbeugen und eine geeignete Lösung finden. Mit Schulbegleitung scheint es ja zu gehen, warum können das die Lehrer nicht, nichteinmal eine Woche?
Oder ist die Schulbegleitung so gut, daß das kein normaler Lehrer halbwegs kann? Ich vermute, die Schule will sich nicht anstrengen. Das verstößt gegen das Gebot der Inklusion.
Siehe auch, hier im Forum, u.a.: '
Asperger in die Regelschule, Frühk.Autismus Förderschule' und '
Vortrag von Hans Wocken zur Inklusion'.
08.11.11, 04:25:21
Santa-Fee
Hallo drvaust,
meist droht er, wenn er sich von anderen geärgert fühlt. Im Unterricht direkt macht er das nicht (außer im Sport). Die schwierigeren Momente sind in den Pausen und in den Zeiten, in denen die Klassenzimmer gewechselt werden bzw. der Lehrer wechselt.
Meine bisherige Erfahrung mit der Schule weckt in mir eher das Gefühl, dass sich die Schule nicht anstrengen möchte. Es gab bisher nur wenig spürbares Entgegenkommen bei z.B. kleinen organisatorischen Veränderung. Als Beispiel sei nur genannt, dass mein Sohn sich für den Sportunterricht separat umziehen kann. Diese Veränderung war nur nach dringlicher Aufforderung unserer Psychologin möglich. Ich hatte einige schriftliche Materialien und auch Internetseiten genannt, wo die Schule Anregungen erhalten kann, wie der Schulalltag mit relativ kleinen Anpassungen für alle Beteiligten erleichtert werden kann. Davon wurde aber von der Schule freiwillig gar nichts übernommen.
Von daher mein Gefühl, dass hier jegliche Anstrengung fehlt.
Danke für die Links, die du mir angegeben hast. Die werde ich so schnell wie möglich ansehen. Nur heute hat mein Sohn Geburtstag, da habe ich wahrscheinlich keine Zeit.
Ich melde mich wieder, wenn ich weiß, wie es weitergeht
Gruß Santa-Fee
08.11.11, 05:27:02
Hans
meist droht er, wenn er sich von anderen geärgert fühlt. Im Unterricht direkt macht er das nicht (außer im Sport). Die schwierigeren Momente sind in den Pausen und in den Zeiten, in denen die Klassenzimmer gewechselt werden bzw. der Lehrer wechselt.
Es wäre doch eigentlich Sache der Lehrer, darauf zu achten, daß sich die Schüler in Ruhe lassen.
Bei mir war es auch so, daß ich die Zeiten zwischen den Stunden fürchtete.
Da wurde ich von den Anderen geärgert, mir meine Zeug versteckt oder beim Fenster hinunter geworfen.
Wie gerne hätte ich mich zum Schwimmunterricht oder Sport allgemein
separat umziehen können.
Schlimm sind da auch immer die Schläge gewesen, die mir die Anderen so unscheinbar im Vorbeigehen erteilt haben.
So ein "Ellenbogenspitz mit Anlauf" zwischen den Schulterblättern tut tagelang bei jedem Atemzug weh.
Ich war immer etwas kleiner, mein Vater war Pazifist und hat mir was von der anderen Wange erzählt,
das hat am Wenigsten geholfen.
Er hatte gar kein Verständnis dafür, da er sehr früh schon sehr groß war
und von den Anderen nicht an gegangen wurde.
Erst neulich hat mir eine Schulkameradin meines Vaters erzählt,
daß sie ihn gefürchtet haben.
Es ist gar nicht so wichtig sich dann zu wehren, es nur zu können gibt schon ein gutes Gefühl.
Mit diesem Selbstvertrauen wird man auch schon mal weniger angegriffen.
Frag Deinen Sohn doch mal, was er davon hält, eine Verteidigungs-Kampfsportart wie Tae Kwan Do zu lernen.
Da lernt man erst mal, ankommende Schläge ab zu fangen.
Allein schon, wenn man beim "Austeilen" an ihn, sich die Finger weh tut, wird man es lassen.
Die zweite Stufe ist dann, wirkungsvolle Schläge zu lernen.
Wenn die anderen merken, daß da nicht so eine verzweifelte aber harmlose "Drohreaktion" zurück kommt,
sondern sofort ein adequates und schmerzhaftes Echo, dann werden sie sehr schnell komplett damit aufhören.
Es ist ja für die Anderen ein Ansporn, ihn auf die Palme zu bringen,
weil er dann immer so "lustig" ist, wenn er sich aufregt und ungelenk drohend durch die Luft schlägt.
Das sehen dann alle und haben Spaß !
Er muß quasi lernen, angemessen so schnell und präzise zurück zu schlagen, daß es außer dem Aggressor keiner merkt.
Dann hat er das NA-Niveau erreicht, wird geachtet und in Ruhe gelassen.
Das Leben ist leider auch ein Kampf, für den man gerüstet sein muß.
Mir hat es etwas geholfen, als ich mit 14 sitzen blieb
und ich in der nächsten Klasse eben nicht mehr der Kleinste und Schwächste war.
UND inzwischen auch etwas gelernt habe, zurück zu schlagen.
08.11.11, 14:26:35
schuschu
geändert von: schuschu - 08.11.11, 14:30:56
Hallo Santa-Fee,
wie kann denn Dein Sohn damit umgehen?
...fühlt er sich denn wohl an der Schule?...Würde er denn ohne Schulbegleitung gehen wollen?
Was braucht er denn? kann er das mitteilen oder wird verstanden was er mitteilt?
...und ich greife die Frage von 55555 nochmal auf: wäre onlineschule eine Möglichkeit für ihn? Was meint er dazu?
Herzliche Grüsse
...und alles Gute zu Deinem Geburtstag, Sohn von "Santa-Fee" :))
08.11.11, 15:08:10
Santa-Fee
Hallo Schuschu,
mein Sohn geht gerne in die Schule und er geht auch ohne Schulbegleitung hin.
Er mag es sogar gerne, wenn er mal ohne Begleitung hin gehen kann, da fühlt er sich freier (so sagt er es mir).
Das Problem bei Konflikten, in die F. gerät, ist vor allem, dass er oft "falsche" Signale aussendet. Z.B. lacht er noch, obwohl er schon total sauer ist. Zudem ist er leider sehr nachtragend, solange das Problem nicht geklärt ist. Da haut er schon mal demjenigen eine drüber, wenn der schon gar nicht mehr daran denkt.
Es ist auch schwer für ihn, in so einem Konflikt-Moment zu jemandem zu gehen, und um Hilfe zu bitten.
Zum Thema Online-Beschulung:
Darüber habe ich mit meinem Sohn bisher noch nicht gesprochen. Hat da schon jemand Erfahrung damit? Wie kann das gut funktionieren? Klappt das auch gut bei Fremdsprachen?
Übrigens habe ich mittlerweile mit dem Ministerialbeauftragten für Gymnasien (Bayern) gesprochen und der hat mir gesagt, dass die Schulleitung von ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht habe. Dies besagt, dass die Schulleitung Personen vom Betreten den Schulgeländes ausschließen darf, wenn durch die Person Gefahrenmomente zu erwarten sind.
Zum Vorschlag von Hans:
F. war mal in Judo, das hat ihm aber nicht so besonders gut gefallen. Teakwon Do ist zwar etwas anderes, da müsste ich mal mit ihm reden. Prinzipiell hast du ja recht, dass es Sinn macht, sich so zu wehren, dass es nur der "Angreifer" merkt. Da ist mein Sohn aber noch meilenweit davon entfernt.
Vielen Dank Schuschu für die Geburtstags-Glückwünsche für meinen Sohn. Die werde ich ihm gleich weitergeben.
Auch Danke schon mal für Eure Anregungen und Eure Anteilnahme. Das tut wirklich gut, verstanden zu werden.
Für heute schönen Gruß an alle
Eure Santa-Fee
08.11.11, 19:46:25
PvdL
Ich würde mal mit dem Lehrer ein direktes Wort sprechen. Wenn es denn so ist, daß Dein Sohn provoziert wurde und deswegen "auf die Anderen losging", daß dann wohl die Provokateure besser Hausarrest bekommen sollten und nicht das Opfer dieses Vorgangs. Es muß doch klar sein, daß man dem Mobbing Vorschub leistet, wenn man das Opfer bestraft anstatt der Täter. Und im Zweifel muß man eben um sein Recht kämpfen, weil in unserer Gesellschaft der verliert, der geringsten Widerstand leistet.
09.11.11, 02:16:44
drvaust
... Allein schon, wenn man beim "Austeilen" an ihn, sich die Finger weh tut, wird man es lassen. ...
Das ist, meiner Meinung nach, das Wichtigste. Wenn sich das Opfer nicht wehrt, oder nicht wirksam, macht es Spaß, dann wird zum Vergnügen geärgert. Aber wer eine 'blutige Nase' riskiert, hat keinen Spaß daran und sucht sich ein anderes Opfer. Meistens muß nur mal demonstriert werden, daß man wirksam zurückschlagen kann, dann hat man Ruhe.
Die Lehrer scheinen es sich sehr einfach zu machen. Der, der stört, wird ausgeschlossen, auch wenn die Anderen schuld sind. Die Anderen haben sich zusammengerauft, da braucht sich der Lehrer nicht drum zu kümmern. Hauptsache Ruhe in der Schule, warum und wie ist egal.
09.11.11, 21:37:49
Santa-Fee
Danke an alle für Eure Tipps. Leider ist es so, dass die Schulleitung das "Hausverbot" für meinen Sohn ausgesprochen hat und nicht die Lehrer.
Die Schulleitung ist sozusagen der Chef und darf ein Hausrecht ausüben. Sehr zum Leidwesen meines Sohnes. Im Grunde bin ich noch keinen Schritt weiter gekommen.
Es sieht so aus, als gelte das Hausrecht mehr als die Schulpflicht.
Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass nicht derjenige aus der Schule gesperrt wird, der die Streitigkeiten anfängt, sondern der, der versucht, sich zu wehren. Ich empfinde da auch so einige Dinge als von oben gewürdigtes Mobbing.
Mittlerweile zweifle ich sehr an der Gerechtigkeit in Deutschland und finde, dass das ganze Gerede um Inklusion und so weiter nicht mehr als eine riesige politische Seifenblase. (Platzt auch sobald man versucht, danach zu greifen)
Heute etwas ausgepowerte Grüße
Eure Santa-Fee
10.11.11, 11:27:31
schuschu
geändert von: schuschu - 10.11.11, 11:36:06
Hallo Santa-Fe,
bei uns ist es ja genau umgekehrt und deswegen habe ich mir im ersten Moment schwer getan, mich in Deine Situation einzufühlen.
Mein Sohn hat von der 1. Klasse an die Schule als nicht aushaltbar empfunden. Jetzt ist er in der 6. Kl.
Wir konnten immer einige Nachteilsausgleiche "aushandeln".
Das muss man sich mal vorstellen"aushandeln", wie beim Basar.
Zwei Schulen haben ihn dann nicht mehr beschulen wollen, der Grund war die unbequeme Mutter, die hinter oder für ihren Sohn stand.
...unsere ganze Geschichte hier zu erzählen , wäre rahmensprengend und mir dann doch ein bisschen zu öffentlich.
Ich kann aus meinen Erfahrungen heraus sagen, dass das offene direkte Wort immer noch das Beste ist.
Mir hat auch geholfen mir bewusst zu werden, dass die Menschen , die an einer Schule arbeiten auch aus Prägungen und Ängsten heraus handel und denken.
Zeitweise waren die Fronten auch an der Schule jetzt, sehr verhärtet. Durch meine andere Sichtweise und Umbeurteilung meines Gegenübers habe ich auch Verständnis ausgestrahlt.
Was nicht heisst, dass meinem Sohn dort jetzt besser geht.
Aber die Fronten konnten aufweichen, mein Gegenüber hat sich nicht mehr so angegriffen gefühlt , ich konnte neue Sichtweisen als Impulse setzen und eine Offenheit für Inklusion entstand.
Das heisst jetzt nicht, dass alles von heut auf morgen glattlief.
Man bedenke, was Lehrer auch Direktoren bisher gelernt haben, welchen Auflagen sie folgen und das Sie oft aus Angst, und dem "nicht wissen wie man es anders tun kann oder sehen kann" handeln. Ein gewisser Automatismus den man, wenn man jahrelang was gleichmacht, entsteht.
Soll für mich jetzt nicht heissen, dass wir uns dem anpassen sollten aber es kann nicht schaden wenn ich mein Gegenüber besser einschätzen kann .
So fühlt auch er sich gesehen und wahrgenommen.
Und zumindest mir geht es so, dass ich dann offener für Vorschläge bin, wenn ich mich gesehen fühle.
Mich interessiert was genau Deinem Sohn in der Schule gefällt. Sind es die Fächer also das Lernen bzw. die Wissensvermittlung? Oder ist es dort die Gemeinschaft?
Ich würde mich zum Beispiel nicht wohl fühlen, wenn ich solchen "Attacken " ausgesetzt wäre.
Das er "falsche" Signale setzt würde ich gern so definieren, er setzt die Signale so wie er kann und ihm möglich ist, das kann nicht falsch sein. Der Empfänger , in dem Fall Die Mitschüler und Lehrer interpretiert es anders.
Für einen Lehrer in der Klasse ist es meist schwer , jedem Kind gerecht zu werden. Hinzu kommt, dass viele Kinder selbst überlastet sind und abgestumpft.Vielleicht kommt da auch der Wunsch nach einer Schulbegleitung her.
Dein Sohn aber möchte ja gar keine.
Kannst Du dir vorstellen, dass Du zur Aufklärung an der Schule erwachsene Auisten um Hilfe bittest?
Ich meine eventuell die ESH?
Auf der Seite gibt es auch Flugblätter, kennst Du die?
Eines davon ist über die onlineschule an regelschulen. Leider weiss ich nicht wie ich die links hier reinsetze.
Da jeder anders ist, können Erfahrungen dazu wahrscheinlich nicht weiterhelfen.
Ich finde , dass er zumindest die Möglichkeit als Alternative ausprobieren dürfen sollte, damit dein sohn selbst sieht , womit er sich wohler fühlt.
Es sei denn es geht ihm tatsächlich um die körperliche Anwesenheit an der Schule.
In jedem Fall habe ich die ESH als DEN kompetetnten Ratgeber Vermittler und Helfer für Autisten und deren Umfeld erlebt.
Natürlich muss eine gewisse Offenheit beim Gesprächspartner, in diesem Fall die Schule , vorhanden sein.
Ich habe erlebt, dass es nichts bringt andere unbedingt von was zu überzeugen, . Ich bin einfach bei meiner Herzenswahrheit geblieben und habe die auch ausgesprochen , schon allein für mein Kind, habe aber gelernt, niemanden verändern zu wollen. Wenn die Meinungen und die Einstellungen so auseinander triften, habe ich meine Konsequenzen gezogen, damit es mir und meinem Sohn wieder besser geht. Ein jahrelanges hin und her ziehen diskutieren macht mürbe und krank.
Oft sieht alles ausweglos aus doch bei mir hat sich die Rede: ...wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her..., bewahrheitet. Unser "Licht" war und ist die ESH, die meinem Sohnund auch mir eine Stimme gegeben hat, wo es ausweglos schien.
Ps: Deutschland steckt was Inklusion angeht in der Geburtsphase, bisher wurde selektiert und alles was anders oder unbequem war , musste behandelt werden . Das steckt noch im Denken der meisten, die dies als richtig geglaubt und jahrzentelang oder länger gelebt haben. Das Bewusstsein erwacht langsam.... Dafür brauchts halt an manchen Stellen Geburtshelfer ;) Zum Beispiel erwachsene Autisten als Ratgeber und Unterstützer für Autisten , die in einem barrierelastigen Umfeld leben um dieses Umfeld zu sensibilisieren. ...Auch dazu aufzufordern,ein barrierefreies Leben zu ermöglichen.
...
Sorry, schon wieder soviel geschrieben. Ich weiss nicht ob ich das noch schaffe, kürzer zu schreiben. Ich versuche es beim nächsten mal...
:l