Community zur Selbsthilfe und Diskussionsforum für alle weiteren Fragen des Lebens. Fettnapffreie Zone mit demokratisch legitimierten Moderationsregeln.
Von Autisten lernen heisst lieben lernen. Ehrlich, nüchtern, authentisch, verrufen, fair, sachorientiert: autistisch.
- Für neue Besucher und Forennutzer gibt es [hier] eine Anleitung inkl. Forenregeln. -

Tipp: Wenn https bei der Forennutzung Probleme macht: autismus-ra.unen.de; wenn https gewünscht wird: autismus.ra.unen.de
 

Kinder werden heute allgemein mehr und mehr pathologisiert?

original Thema anzeigen

24.08.11, 20:49:27

55555

Zitat:
Schon "wegen Kleinigkeiten" würden Kinder heutzutage "einer intensiven Diagnostik unterzogen" und dann "pathologisiert", relativiert etwa der Bonner Kinderneurologe Helmut Hollmann. Vieles, was früher dem Bereich des Normalen zugerechnet worden sei, werde heute - wohl in einigen Fällen auch zu Recht - als "behandlungsbedürftige Gesundheitsstörung" bewertet, berichtet Martin Schlaud, Leiter des Fachgebiets Gesundheit von Kindern und Jugendlichen am bundeseigenen Robert Koch-Institut (RKI). Diese Neubewertung von Symptomen treibt die Statistiken nach oben und verstärkt den Eindruck, dass es den Kindern immer schlechter gehe.

[...]

Ulrich Fegeler, Vorstandsmitglied des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, betreibt seit über 20 Jahren eine Praxis in Berlin-Spandau. Er erlebe zwar jeden Tag kleine Patienten, die am Nachmittag "nur vor der Glotze" hingen und deswegen viele körperliche und psychische Probleme entwickelt hätten. Gerade in sozial schwächeren und "anregungsarmen" Familien liege da einiges im Argen, sagt der Kinderarzt.

Gleichzeitig verschreibe sein Berufsstand heute aber auch viel schneller Rezepte für Heilmittel, oft schon bei kleineren Sprach- und Verhaltensauffälligkeiten. Grund sei unter anderem, dass manche Eltern "ungeheuren Druck" ausübten.

Quelle
25.08.11, 11:49:30

Bicycle

Bin schon gespannt darauf, ab wann jede Charaktereigenschaft eine eigene Diagnose besitzt und als "psychisch Krank" eingestuft wird.
25.08.11, 13:00:07

Leah

Zitat:
... dass manche Eltern "ungeheuren Druck" ausübten.


Manchmal sind es auch die ErzieherInnen / LehrerInnen, die meinen, irgendetwas pathologisches an einem Kind entdeckt zu haben und so handeln, als wäre ihre Vermutung bereits Diagnose. Sie sind dann imstande, massiven Druck auf die Eltern auszuüben, bis diese endlich mit dem Kind bei Ärzten vorstellig werden. Was der Arzt dann unter Umständen sieht, sind "irgendwelche hysterische Eltern", die den "ungeheuren Druck" aus den Lehr- und Erziehungsanstalten weitergeben.
25.08.11, 13:39:50

Ozelot

Mich würde es nicht wundern wenn es zukünftig anstatt Diagnosen für jede kleinigkeit eher sowas wie "Mensch 335"; "Mensch 224b" geben würde, genauso wie es DIN 5008 in der Textverarbeitung gibt.
25.08.11, 13:57:35

55555

Solange das nicht mit neuen Diskriminierungen, Verökonomisierunge und Entmündigungen einhergehen würde (was sich bei den Menschen, die es da draußén gibt wohl kaum vermeiden ließe) würde es auch ein Schritt in die richtige Richtung sein können.
28.08.11, 11:00:18

Fundevogel

Stellt sich die Frage, ob die "neue Mode Qualitätssicherung" diese Entwicklung verstärken wird, weil durch die schriftliche Dokumentationspflicht nun eine durchsichtigere Haftbarmachung möglich wird, die in Erzieher- und Therapieberufen die Mitarbeiter auf Nummer sicher gehen lassen könnte (nach dem Motto: Besser ich schreibe da was hin, als es kommt später jemand und wirft mir vor, dass ich das hätte sehen müssen.)?
28.08.11, 12:09:20

Leah

Zum Stichwort 'Qualitätssicherung', hier: in der Psychologischen Diagnostik, habe ich auf Wikipedia einen interessanten Satz gefunden:

"Nach mehreren Schätzungen der Berufsverbände werden nur etwa 20% aller psychodiagnostischen Untersuchungen von qualifizierten Personen mit geeigneten Instrumenten (also mit ausreichender Qualität) vorgenommen."

Quelle

Grundsätzlich würde ich Qualitätssicherung optimalerweise so verstehen, dass weder zuviel noch zuwenig dokumentiert wird. 'Auf Nummer sicher' zu gehen zu wollen ist verständlich, aber nicht der eigentliche Sinn und Zweck der Qualitätssicherung. Ein solches Missverstehen wird sicher die Pathologisierungswut und -flut noch vergrößern.
28.08.11, 13:51:55

55555

Eine interessante Zahl, im Bereich des Autismus dürfte sie wohl noch deutlich niedriger liegen.
05.09.11, 18:00:04

55555

Zitat:
Mehr als 160 Millionen Europäer leiden an einer psychischen Krankheit, nur eine Minderheit wird laut einer aktuellen Studie rechtzeitig behandelt. Den Schaden für die Volkswirtschaften schätzen die Forscher auf eine dreistellige Milliardenhöhe - pro Jahr.

Quelle

Wie dieser Schaden wohl berechnet wurde? Entgangener Umsatz der Behandlungsindustrie?
 
Powered by: phpMyForum 4.1.55 © Christoph Roeder