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Sachbuch: Emotionen und affektives Erleben bei Menschen mit Autismus

original Thema anzeigen

29.07.11, 09:10:37

Leah

Ich habe gerade ein Buch von

Michaela Hartl

Emotionen und affektives Erleben bei Menschen mit Autismus [Laut Forenregeln diskriminierender Begriff] -
Eine Untersuchung unter analytischer Betrachtung autobiographischer Texte

gelesen und fand es sehr interessant. Es bestätigt die Vermutung, dass Autist sein nicht bedeutet, keine Emotionen empfinden zu können, sondern dass das emotionale Spektrum bei sogar Autisten größer und vielfältiger/differenzierter zu sein scheint, als bei NA.

Eine Google-Voransicht gibt es hier.
29.07.11, 09:58:40

Fundevogel

Ich erlebe des öfteren, dass einige besonders gefühlsbetonte Menschen kühl, distanziert und abweisend wirken. Es handelt sich bei diesen Ablenkungsmanövern wohl um einen Schutzmechanismus des Gehirns, der sowohl vor dem geistigen als auch körperlichen Zusammenbruch bewahren kann.
Bekannt sind diese Mechanismen z.B. bei Soldaten, die auf diese Weise sehr belastende Erlebnisse bis zum völligen Verdrängen umgehen können.
So erkläre ich mir auch die Aussage eines A, dass er diese Gefühle nicht habe, den ich aber als gefühlvoll erlebte.

Allerdings sind die Fehlinterpretationen tragisch und leider auch bei Fachleuten häufig anzutreffen, ganz davon abgesehen, dass Fachleute im eigenen Erleben ebenfalls solchen "Verhüllungen" ausgesetzt sind.
29.07.11, 10:08:00

Leah

Zitat von Fundevogel:
So erkläre ich mir auch die Aussage eines A, dass er diese Gefühle nicht habe, den ich aber als gefühlvoll erlebte.


Das ist in dem Buch auch beschrieben: es scheint für A in Bezug auf manche Emotionen schwierig zu sein, das Gefühlte zu benennen; also mit Worten in Sprache zu "übersetzen", welches eigene Gefühl gerade vorhanden ist.

So kann es passieren, dass z.B. Liebeskummer empfunden wird, aber die Zuordnung zu diesem Begriff nicht erfolgt. Es kann zu der Aussage kommen "ich empfinde keinen Liebeskummer", aber, nach umschreibender Schilderung des Empfindens des A, vom Außenstehenden gedeutet werden kann, dass es sich hier eben genau um die Emotion Liebeskummer handelt.
29.07.11, 10:53:23

wolfskind

bei mir brechen auch schon mal gefühle aus
die gar nicht (komplett) in die situation gehörten.
ich kann eine weile alles mögliche anstauen und erstarren.
aber wenn das maß voll ist, sprudelt es dann raus.
dann braucht es eine weile bis ich wieder klarer bin.
meistens kann ich dann so tun als wäre eben nichts ausgebrochen.
30.07.11, 01:41:05

drvaust

geändert von: drvaust - 31.07.11, 03:47:21

Ich halte mich für sehr gefühlvoll. Es kann passieren, daß mir plötzlich Tränen kommen oder ich lächeln muß.
Aber ich habe etwas andere Gefühle und meine Gefühle beziehen sich öfters nicht auf meine Umwelt.
Deshalb vermeide ich es, in der Öffentlichkeit Gefühle zu zeigen. Es wirkt etwas eigenartig, wenn ein 49-jähriger heulend aus dem Kino kommt. Oder wenn bei einem schweren Unfall mit Verletzten jemand grinst. Ich bekam schon mehrmals Ärger, wenn ich Gefühle zeigte, weil meine Umgebung das nicht verstand.
Das ich ein Gefühl nicht erkennen/benennen kann, ist mir kaum aufgefallen. Es passiert aber manchmal, daß ich lange nachdenke, ob es wirklich das Gefühl ist. Es ist ungünstig, wenn man jahrelang nachdenkt, ob man wirklich in diese Person verliebt ist (war). Ich bin mir aber selten sicher, wie stark das Gefühl ist und ob es dauerhaft ist.
Mir fehlt es nur etwas an Gemeinschaftsgefühlen und Sympathie für Menschen.
30.07.11, 09:11:19

mor

Zitat von Leah:

Das ist in dem Buch auch beschrieben: es scheint für A in Bezug auf manche Emotionen schwierig zu sein, das Gefühlte zu benennen; also mit Worten in Sprache zu "übersetzen", welches eigene Gefühl gerade vorhanden ist.
Das kann ich mit unterstreichen. Mir bereitet dies schon mal Schwierigkeiten. Wenn es zb ein schlechtes Gefühl ist und ich es nicht richtig benennen kann habe ich eine Auswahl von Begriffen, die eventuell zu dem Gefühl passen könnten (Gefühle wzb, könnte sein, dass es Depressionen, bedrückt, traurig oder sonstiges negatives Gefühl ist).

Meine Mutter hatte mir zu mir mal gesagt, dass es wichtig ist, dass ich es selbst fühlen kann oder so ähnlich. Warum muss man eigentlich das eigene Gefühl benennen können? Da ist man doch selbst schon überfragt, was es jetzt sein sollte.

Zitat von drvaust:
Ich halte mich für sehr gefühlvoll.
Ich mich ebenfalls meiner Meinung. Ich bin wohl eventuell auch gar „nahe am Wasser gebaut“. Kommt wohl auf die Situation drauf an.
30.07.11, 10:10:11

Leah

Ich halte es für wichtig, primär das eigene Gefühl sich selbst gegenüber benennen zu können; erst sekundär anderen gegenüber.

Es scheint manchmal eine Ansammlung von Gefühlen zu existieren, die undifferenziert als Gesamtheit betrachtet eine Art "riesigen Gefühls-Klotz" darstellt; in diesem "Klotz" ist dann auch nicht mehr erkennbar, was davon angenehme und unangenehme Gefühle sind, es ist ein einziger "Gefühlsmatsch", der zu massiver emotionaler Überforderung führen kann (Stressempfinden).

Wenn man es schafft, dieses Sammelsurium/Wirrwar an Gefühlen durch rationale Analyse mit Benennung der Einzelemotionen zu entwirren, denke ich, dass die Stressbelastung sinken wird, da dann klar unterschieden werden kann, was einen selbst negativ oder positiv beeinflusst. Analytisch ist es dann möglich, Bilanz zu ziehen und Auswege oder Lösungen zu finden.

31.07.11, 01:33:20

Fundevogel

In unserer Sprache stehen für diesen Zustand Beschreibungen zur Verfügung: Ich bin von Gefühlen überwältigt...übermannt...verstummt...total durcheinander...völlig fertig.
Vielleicht ist er bei A ausgeprägter, weil ihnen die "Allerweltsschutzhülle" der NA fehlt. Sie müssen erst eine andere Art von Schutz bilden (scheinbares Desinteresse, verlassene Mimik, Verstummen, sorgfältige Analyse)?
23.08.11, 02:18:00

Bromelie

mich überfordern emotionen und folgerichtig auch (echte/wahre) soziale beziehungen, welche ja unwillkürlich mit emotionen verbunden sind - vor allem partnerschaften. liebe oder verliebtsein ist für mich das allerschlimmste. ich werde von meinen gefühlen, von eifersucht, sehnsucht etc. überwältigt. ich kann schlicht nicht damit umgehen. es funktioniert vielleicht für aussenstehende, denn ich habe freunde und eine partnerschaftliche beziehung, allerdings herrscht in mir drin ein unübersichtliches chaos von emotionen, die ich nicht zu steuern weiß. daher habe ich mich lange zeit in oberflächliche "beziehungen" gestürzt, also lockere bekanntschaften gepflegt. doch das dies keine lösung ist, habe ich auf schmerzliche weise erkannt. auch mein lachen und weinen kann ich nicht "angemessen" (ich scheiß eigentlich auf normierungen)steuern. ich lache auf beerdigungen und heule, wenn jemand lieb zu mir ist (vielleicht aus rührung?!). für normalos völlig unverständlich. hypersensibel und eiskalt sind die merkmale, die mir zugeschrieben werden.^^
 
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