Schulhelfer sucht nach Tipps
31.03.11, 16:57:18
Schneekugel
Ich hab versucht mich kurz zu halten, da ich ja weiss zu den "Wenn ich mal rede, rede ich ohne Punkt und Komma." Rednern und Schreibern zu gehören. Ich fand halt dieses "Alle Autisten sind so ruhig." störend. Der eine schafft es tatsächlich ruhig dem Unterricht zu folgen, der nächste zeichnet ruhig irgendwas oder macht Pläne oder liest - ist aber nicht Teil des Unterrichts, der nächste hat in dem Sinn leider keine Interessen denen er leise vor sich hin gehen kann - möchte aber genauso wie der vorherige eben seinen Interessen nachgehen, da es für ihn genauso belastend ist sich ständig auf etwas zu konzentrieren, auf das er sich einfach gerade, aus vielfältigen Gründen konzentrieren kann. Der eine redet überhaupt nicht, der andere kann theoretisch Gesprächen folgen, hat aber Probleme mit der Diskussion wie NTs sie normal führen - ist z.B. wenn er mal anfängt und interessiert am Gesprächsthema ist entsprechend ein ohne Punkt und Komma Quatscher. Der eine reagiert auf mangelnde Integration in der Klasse mit Rückzug, der nächste merkts gar nicht, der nächste kommt drauf, dass er wenn er was lustiges macht, doch auf einmal scheinbar positive Reaktionen bekommt und konzentriert sich auf diese Nische...
Das ist so vielfältig, da irgendwie mit dem Standardkatalog zu kommen wird dem Menschen nicht gerecht. Vor allem ist es auch nicht notwendig, denn ich brauche keinen Standardkatalog zur Einschätzung eines Menschen, wenn der Mensch mit all seinen Bedürfnissen ohnehin vor mir sitzt und ich ihn erleben darf. Wozu da erst den Umweg gehen - statistisch durchschnittlicher Autismus-Standardkatalog + Betroffener + spezifische Abweichungen vom statistisch durchschnittlichem Autismus-Standardkatalog wenn er auch gleich einfach den Menschen so wie er ist kennenlernen kann?
Klar, hab ich täglich mit 25 unterschiedlichen Autisten zu tun, kann es hilfreich sein irgendwelche Standards zu haben, von denen ich dann entsprechend abweiche. Bei einer Person brauch ich das aber nicht. :)
31.03.11, 17:10:38
schneeweiß
Wozu da erst den Umweg gehen - statistisch durchschnittlicher Autismus-Standardkatalog + Betroffener + spezifische Abweichungen vom statistisch durchschnittlichem Autismus-Standardkatalog wenn er auch gleich einfach den Menschen so wie er ist kennenlernen kann?
Grundsätzlich volle Zustimmung. Gerade in Bezug auf den Umgang mit A in der Schule ist das Wissen um den "Autismus-Standardkatalog" durchaus notwendig. Meinem Sohn wurde in der Schule immer wieder schlechtes Benehmen unterstellt, was dann aus Sicht der Lehrer natürlich auch bestraft gehörte. Mein Sohn hatte sich aber nicht schlecht benommen, sondern nur anders als seine NA-Mitschüler sich in dieser Situation benommen hätten.
31.03.11, 18:39:12
frontdoor
Daß man Schulhelfer quasi auf der Straße engagiert und ohne jede Ausbildung oder sonstige Unterweisung auf die Kinder loslässt ist ein unglaublicher Skandal.Man sollte diesem Verein das Handwerk legen.
Darüber hinaus kann ich mich nur den Aussagen von zoccoly anschließen.Besser kann man es nicht sagen.
31.03.11, 18:46:08
55555
Sicherlich sind nicht alle Autisten ruhig.
31.03.11, 19:07:48
schneeweiß
Daß man Schulhelfer quasi auf der Straße engagiert und ohne jede Ausbildung oder sonstige Unterweisung auf die Kinder loslässt ist ein unglaublicher Skandal.
An was für eine Ausbildung hattest du denn da so gedacht? Für all das, was zoccoly aufgezählt hat, braucht man vor allem guten Willen. Eine Unterweisung über die Rechte und Pflichten eines Schulhelfers wäre natürlich wünschenswert.
31.03.11, 20:35:35
55555
Eine Ausbildung durch gewisse Elternverbände kann schlimmer sein als Unwissenheit, denke ich.
31.03.11, 20:45:13
zoccoly
Für all das, was zoccoly aufgezählt hat, braucht man vor allem guten Willen.
Wenn man Bäcker ist und kein Brot backen kann, dann soll man es lassen.
Wenn man Richter ist und keine Gesetze kennt, dann sollte man es auch lassen.
Wenn man Schulhelfer ist und Barrierefreiheit nicht versteht, dann sollte man es auch lassen.
@ schneeweiß,
immer wenn es um Menschen geht, um Pädagogik, dann lässt man so viel durchgehen.
Es kann hier nicht von gutem Willen die Rede sein, sondern verdammt von der Pflicht und Schuldigkeit.
31.03.11, 21:01:50
schneeweiß
Es kann hier nicht von gutem Willen die Rede sein, sondern verdammt von der Pflicht und Schuldigkeit.
Ich wollte damit sagen, man braucht keine spitzenmäßige Ausbildung, um ein guter Schulbegleiter für einen Autisten zu sein, sondern eben den guten Willen, den A als Person in seinem Sein zu akzeptieren. Beispielhaft dazu: Ich kenne einen Fall, wo ein Autist mit einem Zivi als Schulbegleiter wunderbar zurecht kommt und einen anderen, wo ein ausgebildeter Musiktherapeut als Schulbegleiter die Schulsituation des Autisten wesentlich verschlimmerte. Der Musiktherapeut fühlte sich nämlich auf Grund seiner "fachlichen Kompetenz" berufen, seinem Schützling den Autismus mal eben "abzugewöhnen" :(
31.03.11, 21:09:12
Nanook
geändert von: [feder] - 31.03.11, 22:10:15
[Kettenbeiträge zusammengefasst, mfg [feder]]
Zitat:
45 Minuten still sitzen, den Unterricht nicht stören, sich melden, wenn man etwas sagen möchte, regelmäßig Hausarbeiten machen...das sind alles Dinge, die für den Autisten weit weniger problematisch sind als für viele andere Schüler.
von welcher "art" autisten schreibst du da konkret?
Wie gesagt, bei meinem Schützling handelt es sich um eine Asperger, 7. Klasse. Soweit ich das beurteilen kann ist die Autismus-Ausprägung relativ schwach, aber definitiv gegeben. Overloads habe ich bis jetzt bei ihm nur zweimal ganz kurz in Form von Handlungsunfähigkeit gesehen. Das Bedürfnis nach Pausen und/oder Rückzugsräumen zeigt er gar nicht.
Und @Schneekugel: Mit Der Autist meinte ich tatsächlich DEN konkreten Autisten, den ich in der Schule betreue. Da ich ja seinen Namen nicht genannt habe wusste ich nicht wie anders in bezeichnen. Ich würde mich nie bewußt einer so verallgemeinernden Sprache bedienen.
Zitat:
Das sind ganz interessante Hinweise, aber auch ein Bisschen erschreckend, denn meine bisherigen Arbeitshinweise sind genau gegenteilig.
kann ich mir gut vorstellen, nachdem ich gestern eine information gefunden habe, die darlegt, was ein schulbegleiter können sollte aus sicht von NA. wenn das generell so ist, plädiere ich für vollständige abschaffung von schulbegleitern, weil sie autisten - wenn das so ist - mehr schaden als nutzen.
Naja, aus meinem Post konnte man ja auch herauslesen, dass ich nicht dazu angehalten wurde ihn zu therapieren oder umzuerziehen. Das ist ja sicher auch schonmal ein Vorteil. Das ich so gut wie keine Handlungsanweisungen bekommen habe gibt mir andererseits ja auch viel Raum, um auf die Bedürfnisse meines Schützlings einzugehen. Die Befürchtungen aus dem thread, den du verlinkt hattest kann ich auch nur zerstreuen. Um Mobbing, Eifersucht und Isolation zu verhindern bin ich offiziel für die ganze Klasse da. Ich bin auch nicht sein "Leibwächter" und die ganze Zeit an seiner Seite; Ich verstehe mich mehr als Option für ihn, die er jederzeit wahrnehmen kann, aber nicht muss. Seitdem ich da bin, nimmt er mich jedoch sehr sehr häufig in Anspruch.
Zitat:
Daß man Schulhelfer quasi auf der Straße engagiert und ohne jede Ausbildung oder sonstige Unterweisung auf die Kinder loslässt ist ein unglaublicher Skandal.Man sollte diesem Verein das Handwerk legen.
Ich fände es ganz gut, wenn meinem Arbeitgeber nicht das Handwerk gelegt würde. ;) Das ist ein gemeinnütziger Verein, der im Prinzip für die Belange von Autisten da ist. Das er von NAs geleitet wird ist natürlich problematisch, das sehe ich ein.
Ich kann die Kritik an dem Konzept von Schulfer und "Hilfe" im Allgemeinen schon ganz gut verstehen. Ich denke aber trotzdem, dass Schulhelfer schon sehr viel positives Potential haben, dass jedoch aus unterschiedlichen Gründen nicht optimal ausgeschöpft wird. Eine vorausgehende Schulung und ein wenig Supervision wären sich ratsam. Und eben auch vielleicht Beratung durch ältere Autisten.
Ich habe das Gefühl, das wir in diesem thread besser über Sinn und Unsinn von Schulhelfern diskutieren können. Für eine konkrete Frage zu meinem Schützling habe ich einen neuen
thread eröffnet, ich hoffe das geht in Ordnung.
wenn das generell so ist, plädiere ich für vollständige abschaffung von schulbegleitern, weil sie autisten - wenn das so ist - mehr schaden als nutzen.
So eine Position vertrete ich ja schon länger. ;)
Zitat:
Wenn man Bäcker ist und kein Brot backen kann, dann soll man es lassen.
Wenn man Richter ist und keine Gesetze kennt, dann sollte man es auch lassen.
Wenn man Schulhelfer ist und Barrierefreiheit nicht versteht, dann sollte man es auch lassen.
Geht es euch nur um Abschaffung des Schulhelfersystems und das Autisten auf den Regelschulen lieber alleingelassen werden sollten, oder habt ihr ein Gegenmodel im Kopf?
31.03.11, 22:14:05
feder
Gegenmodell:
Onlinebeschulung an Regelschulen
31.03.11, 22:23:51
zoccoly
geändert von: zoccoly - 31.03.11, 22:47:22
http://dokumente.perfektibilistenorden.de/esh-flugi9m.pdf
Zitat:
Und eben auch vielleicht Beratung durch ältere Autisten.
Kannst du das "vielleicht" erklären?
Edit: Es geht mir nicht um die Abschaffung des Schulhelfersystems, so lange es nötig ist, weil die Barrierefreiheit nicht gewährleistet ist.
Aber wenn wir nun schon dieses Zwischenmodell haben, dann sollte es auch Sinn machen.
Ein Schulhelfer, der Barrierefreiheit nicht ansatzweise versteht, ist aus meiner Sicht sinnlos.
31.03.11, 23:41:46
Nanook
Kannst du das "vielleicht" erklären?
Das war lediglich als Abschwächung meiner Aussage gemeint, da ich nicht weiß, in welcher Form das vielleicht schon passiert, wie das von Autisten selbst beurteilt wird etc. Die positive Wirkung, die eine solche Zusammenarbeit meiner Meinung nach hätte wollte ich damit nicht in Frage stellen.
Es wundert mich ohnehin, dass es anscheinend ja noch nicht stattfindet.