10.02.11, 19:10:08
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Zitat:
Als sie ein Kind war, galt Susanne Nieß als zurückgeblieben. Und bis heute kann sie nicht allein über die Straße gehen, nicht ihre Kleidung auswählen, nicht gut den Tisch decken. Sie sitzt an ihrem Wohnzimmertisch, hat braune Locken, zurzeit einen fiesen Schnupfen und für ihr Leben ein Ziel: Susanne Nieß, diese hilflos wirkende junge Frau, will bald Doktor Susanne Nieß sein.
Die Gesellschaft teilt Tätigkeiten in leicht und schwierig ein, erklärt Susan-ne. Rolltreppe fahren, Tisch decken, einen dicken Pulli anziehen, wenn es kalt ist: einfach. Finnisch lernen, Differentialrechnung, komplexe Zahlen: schwierig.
Für Susanne ist es genau andersherum. Bei einem Test löste sie schon als Grundschülerin Grammatikaufgaben für 18-Jährige. Mit 13 hängte sie ihre Mutter, eine promovierte Chemikerin, und ihren Vater, einen Physiker, in Mathe ab. Heute lernt sie neben Finnisch auch noch Hebräisch und promoviert in Graphentheorie an der TU München. Aber eine Rolltreppe flößt ihr immer noch Respekt ein.
"Ich habe Füße, Knie, Hüften und Ellenbogen", erklärt die Studentin. "Dazu kommen Schultern und der Kopf. Auf alle Körperteile gleichzeitig aufzupassen, nicht umzufallen oder anzuecken, das ist ziemlich schwierig." Susanne hat das Kanner-Syndrom, sie lernte erst spät sprechen.
Dass Susanne an der Uni ein Sonderfall sein würde, merkte sie schon bei der Einschreibung. Damals mussten die Studenten noch unterschreiben, dass keine rechtliche Betreuung bestellt ist, sie also nicht entmündigt sind. Bei ihr ist das aber der Fall. Susanne ärgerte sich. "Da war wohl die Maßgabe: Wer entmündigt ist, ist blöd oder bekloppt, und wer blöd oder bekloppt ist, hat an der Uni nichts zu suchen."
Quelle
Ansonsten steht auch einiges vom üblichen Halbwissen drin, einmal neu aufgerührt.