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Autismus-gehirn-kennt-keine-pause

original Thema anzeigen

07.02.11, 19:18:58

starke Dame

Hallo,

heute beim surfen drauf gestoßen:

http://www.drk-oberhausen-rheinhausen.de/news/0605autismus-gehirn-kennt-keine-pause.html

07.02.11, 19:46:36

55555

Oder ist es doch eher so, daß das Gehirn eines ausweglos in einer ungeeigneten leiderzeugenden Umgebung lebenden Menschen oft keine Pause kennt?
07.02.11, 19:58:06

starke Dame

geändert von: starke Dame - 07.02.11, 20:02:56

Das wird auf jeden Fall eine Rolle spielen.

Ich habe nach diesem Beitrag noch mehr im Internet gelesen.

Von Spiegelneuronen, dass das Gehirn eines 2-4-jährigen autistischen Kind um 10 % größer ist als bei gleichaltrigen Nichtautisten.


Ich bin überzeugt, dass das autistische Gehirn einfach viel mehr aufnimmt, dementsprechend sind längere Ruhepausen - Betonung auf ruhe - wichtig.

Wenn jetzt diese Ruhepausen nicht gewährleistet sind, kann es wirklich schier unmöglich sein zur Ruhe zu kommen.

Ich überlege ja immer wieder wegen meinen Sohnemann. Er wacht manchmal nachts auf, dann spielt er etwas, singt ein paar Lieder, macht sich eine CD an und schläft ein. Ist das dann ruhelos?

Oder vielmehr, geträumt, etwas vom Tag reflektiert und noch einfach mal für sich im stillen Kämmerlein wiederholen. Da er dabei auch oft die Namen der anderen KiGa-Kinder laut aufsagt.

Ich finde auf jeden Fall diese Berichte angenehmer als die Forschung nach dem Autismus-Gen. Ich habe das Gefühl, die Wissenschaftler möchten etwas erfahren, wenngleich mir wirklich der Bezug auf Gespräche mit Autisten in diesen Studien fehlt.

Trotzdem - es gibt ja immer wieder Änderungen, heißt es erst, die Spiegelneuronen sind bei Autisten dünner, heißt es jetzt:

http://www.n-tv.de/wissen/Spiegelneuronen-arbeiten-article872478.html

07.02.11, 20:05:39

zoccoly

@ 55555

Ich weiß nicht, ob deine Schlussfolgerung allein zutreffend ist.
Ich habe von NA schon oft gehört, dass sie nicht mehr in der Lage zum ernsthaften Denken sind.
Das bezog sich dann meist auf die Abendstunden. Ob das dann wirklich so war, kann ich dann natürlich auch nicht einschätzen.
Die Schlussfolgerung in dem Artikel bezüglich der Selbstreflektion finde ich mehr als gewagt.
Ich reflektiere, ob ich dann zu den "normalen" Schlüssen komme, sei dahin gestellt.
07.02.11, 23:30:53

Fundevogel

Was für eine dilletantische "wissenSchaf tliche" Studie!!!.

Die Studie basiert auf Denkmustern "Störung, Krankheit, mangelndes Sozialverhalten" und kann deshalb nur ein absolut subjektives Ergebnis haben. "Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast."

Wetten, dass die Studie mit gleich wertigen Denkmustern Ergebnisse gehabt hätte, die autistische Verhaltensweisen als glänzende Überlebensstrategien dargestellt hätten?!
08.02.11, 00:46:35

horrorvren

@Fundevogel: Denke auch, dass das Ergebnis der Studie (jedenfalls die Interpretation) vor allem durch die zugrunde liegenden Denkmuster geprägt ist.

Das scheint mir ein allgemeines Problem psychologischer/sozialwissenschaftlicher Forschung zu sein. Es macht mich in Bezug auf mein Studium zeitweise "verrückt". Der Versuchsaufbau der Experimente ist oft schon durch die zu beweisende Theorie beeinflusst, oder das Ergebnis stützt die Theorie, könnte aber eigentlich genauso gut anders interpretiert werden und so eine ganz andere oder sogar gegensätzliche Theorie stützen.

Und eine Stichprobe von "15 Autismuspatienten" und "14 Freiwilligen ohne diese Entwicklungsstörung" ist auch seehr aussagekräftig...(Ironie)

Die "objektiven Ergebnisse", also das was gemessen wurde, finde ich allerdings schon interessant. Würde aber eher sagen, dass es evtl einfach auf ein anders arbeitendes "System" schließen lässt, oder vielleicht wirklich eine Auswirkung von Überlastung.
08.02.11, 02:41:55

haggard

für mich persönlich hatte ich festgestellt, dass ich erst zur selbstreflexion in der lage war, als ich praktisch in massen nichts neues mehr lernen musste. und das fand etwa erst ab 22 jahren statt. die größten erkenntnisse über mich selbst erlangte ich jeweils erst dann, wenn ich keine verpflichtungen hatte. erst folgten lange phasen von "gar nichts" und dann wie schockwellen setzte sich alles aus den jahren zuvor angesammelte zusammen. vorher gab es auch immer mal wieder kurze phasen, in denen einige erkenntnisse möglich waren - aber nicht zu meiner person selbst, sondern nur zu (zwingend) erforderlichen leistungen meinerseits, fähigkeiten, die vorhanden sein sollten, unverständlichkeiten, die ich dann plötzlich doch verstand.

mein "ich" wurde praktisch zwischen 4 und 6 jahren unterbrochen und setzte sich allmählich ab 22 jahren fort. das dazwischen ist für mich ein zeitraum, in dem hauptsächlich chaos herrschte.
08.02.11, 11:08:20

starke Dame

Hallo Azrael,

zwischen 4-6 Jahren lernt man am meisten, danach soll ein Jahr erst einmal ein Stillstand in der Entwicklung (6. LJ) sein, leider kommen die gleichzeitig in die Schule. Kann das vielleicht damit zusammen hängen?

Das ein gewissen Überangebot mehr anrichtet? Z.B. ich kann es einfach nur auf meinen Sohn und mich beziehen. Ich biete viel an, er nimmt es in Anspruch oder nicht, kann es aber sein, dass ich auch die Anzahl der Angebote irgendwann reduzieren sollte, da er ja selber sich Dinge auswählen und selbstständig nehmen kann? Er braucht mich ja eigentlich nicht als Animatuer, sondern findet mittlerweile viele eigene Dinge, bei denen ich nur noch unterstützend mitmache (wenn erwünscht).

Dadurch, dass NA-Eltern sich nicht richtig reinempfinden können, versuchen sie ja immer etwas förderndes zu machen und eine unbeabsichtigte Überforderung ist die Folge, also sollte man einem autistischen Menschen in seiner Entwicklung vielleicht - ab dem Eintritt ins Schulleben anders behandeln als zuvor, dass versuche ich irgendwie zu sortieren - deswegen lese ich diese ganzen Studien, weiß es ist eine Interpretationsgeschichte und versuche da ein objektives Extrakt raus zu bekommen.

Z.B. das bei Dir nach dem 22. Lebensjahr eine Veränderung eintrat. Was hättest Du in dieser Zeit, vom 7. bis zum 21. Lebensjahr besser gebrauchen können?

Womit hätte man mehr geholfen?

Denn wenn ich das in meiner Situation sehe, mein Sohn lernt als Beispiel ein Lied, kann es nicht perfekt, übt aber dann im Stillen so lange bis es besser geht, dann lasse ich ihn doch praktisch besser alleine üben anstatt ihn darin zu stören?

Ich komme so langsam in meinem persönlichen Entwicklungsprozess dahin, dieses Gluckedasein zu überdenken, abzulegen und mehr die Einhaltung auf das Recht der Selbstbestimmung meines Kindes zu achten.

Ich weiß nicht ob ich das richtig erklären kann.

Diese ganzen Studien, zeigen mir, dass es genauso funktioniert, nur anders. Das andere Gehirnbereiche dann wohl stärker sind, denn ich erlebe bei meinem Kind zuviel, das ich ganz klar sage:

- Intelligenzminderung, was immer wieder bei frühk. Autismus zu lesen ist, stimmt definitiv nicht.
- Mitleid, kann auch empfunden werden, ist die Situation, für ihn klar erkennbar.
- Emotionen sind ganz klar vorhanden, genauso zwischenmenschliche Kommunikation.


Ich sehe im Vergleich zu nichtautistischen Kindern einfach keine Entwicklungsverzögerung, sondern ständig eine andere Entwicklung. Demzufolge, sehe ich aber die Gefahr, durch falsch interpretierte Studien, falschen Klischees, das mein Sohn ständig von anderen unterschätz wird, er muss heute schon damit leben, dass man nicht seinen Willen akzeptiert oder ihn auf gut deutsch "veräppelt".

Das passiert nicht zu Hause sondern draußen, KiGa, Spielplatz, Ärzte. Ich denke mal, dass viele Dinge dadurch nicht klappen, damit muss man doch überlastet sein. Gibt es denn irgendeine Studie, die Autisten einbezieht, irgendetwas, dass ich lesen kann und besser das ganze verstehe?

08.02.11, 12:01:53

Antika

Ich finde deinen Gedanken und die Überlegungen sehr interessant, denn ich glaube auch dass viele Autisten unterschätzt werden, erst recht wenn sie noch Kinder sind.

Auf der einen Seite überfordert man sie und auf der anderen Seite traut man ihnen einfach zu wenig zu.
08.02.11, 16:10:20

drvaust

Der Artikel erinnert mich an viele Artikel in allgemeinen Medien, über wissenschaftliche Erkenntnisse. Da haben Wissenschaftler etwas bemerkt, eine Theorie aufgestellt, und haben das in Fachmedien veröffentlicht, als Information. Veröffentlichungen sind für wissenschaftliche Karrieren wichtig. Ein allgemeiner Journalist hat, auf der Suche nach interessantem Stoff, diese Veröffentlichung entdeckt und das als neue Erkenntnis der Wissenschaft veröffentlicht.
Das ist keine ernsthafte neue Erkenntnis der Wissenschaft, die Versuchsbasis ist viel zu klein, das muß unabhängig wiederholt werden usw.. Vielleicht wird sich daraus in der Zukunft, nach gründlicher Forschung, etwas ergeben.

Zitat von azrael:
mein "ich" wurde praktisch zwischen 4 und 6 jahren unterbrochen und setzte sich allmählich ab 22 jahren fort. das dazwischen ist für mich ein zeitraum, in dem hauptsächlich chaos herrschte.
Den Zeitraum finde ich bemerkenswert. Das ist allgemein die Zeit der Ausbildung, vom behüteten Kind zum selbständigen Erwachsenen. Bei mir war das ein ähnlicher Zeitraum. Vom 4. bis zum 19. Lebensjahr hatte ich mich von einem fröhlich-verträumten unbekümmerten Kind zu einem verzweifelten suizidgefährdeten Jugendlichen entwickelt. Vom 19. bis zum 21. Lebensjahr hatte ich mich, mit fachlicher Hilfe, zu einem selbstbewußten Erwachsenen entwickelt. Aber ich entwickelte mich in dieser Zeit auch erheblich, es war eine sehr wichtige Zeit in meinem Leben.
Vielleicht sollte mal untersucht werden, was die übliche Erziehung und Ausbildung Autisten antut.

Zitat von starke Dame:
Das ein gewissen Überangebot mehr anrichtet? ...
Wenn es nur ein Angebot ist, kein Aufdrängen, wird es wohl gut sein.
Ich hatte als Kind oft das Problem, daß, wenn ich mich mit etwas intensiv beschäftigte, mir etwas anderes aufgedrängt wurde, 'mach doch mal dieses oder das', 'nicht immer wieder das gleiche' usw.. Wenn ich etwas mache, dann richtig, bis zum Ende. Nicht viel Spielereien anfangen und nie beenden.
08.02.11, 17:34:42

schneeweiß

Zitat von azrael:
für mich persönlich hatte ich festgestellt, dass ich erst zur selbstreflexion in der lage war, als ich praktisch in massen nichts neues mehr lernen musste. und das fand etwa erst ab 22 jahren statt.


Ist ja interessant! Meinst du es lag daran, dass du so viel lernen musstest oder daran, dass du zum Lernen in einer Schule sein musstest, wo du dich nicht wohl fühltest?

Bei meinem Sohn habe ich beobachtet, dass er bei schulischem Stress unselbständig wird. Während er sich in den Schulferien sehr gut um sich selber kümmern konnte, nahm seine Alltagstauglichkeit während der Schulzeit rapide ab.

Seit Sommer ist mein Sohn nun nicht mehr am Gymnasium, sondern besucht eine Berufsschule. Die Ausbildung dort macht ihm sehr viel Spaß, denn er darf sich endlich mit Themen beschäftigen, die ihn interessieren. Seit Ausbildungsbeginn ist er viel selbständiger, also in gewisser Weise erwachsener geworden.

Ich hatte so die Theorie, dass mein Sohn bisher sämtliche Entwicklungskapazitäten dafür aufgebraucht hatte, sich in der Schule einigermaßen angepasst zu verhalten. Diese Kapazitäten kann er jetzt fürs Erwachsenwerden einsetzen.
 
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