Autistische Gemeinschaft - unmöglich?
11.09.06, 17:01:29
FrauFachmann
P.S. Was mir allerdings wichtig ist bei einer solchen Gemeinschaft: Dass sie nicht stagniert! Ich kenne aus NT-Gemeinschaften folgendes Problem und ich weiß noch nicht, wie das bei AS-Gemeinschaften ist. Nämlich, dass es immer schwierig wird, wenn einer aus einer Gemeinschaft ausbricht, gen oben! In NT-Gemeinschaften wird man dann schnell wie ein Verräter behandelt. Eine Bekannte von mir saß mal im Rollstuhl. Mit extremster Anstrengung und viel Übung hat sie es geschafft, dass sie wieder laufen konnte. Entscheiden war auch ihr Wille! Und nun das Fazit: Sie wurde in ihrer "Gruppe" keinesfalls dafür nur bewundert, mitnichten lud als ermunterndes Beispiel ein. Neee! Sie wurde von einigen angefeindet. Und das ist doch der Punkt sich zu fragen inwiefern Leidensgemeinschaften überhaupt echte Gemeinschaften sind? Versteht hier irgendwer was ich tatsächlich meine?
11.09.06, 17:11:10
Wursthans
Eine gute Frage. Definiert sich das Erleben in diesem Forum als Gemeinschaft? Wohlmöglich als eine Gemeinschaft die sich an Defiziten festmacht und somit diese Defizite zementiert?
11.09.06, 18:11:11
Cadfael
Hm ...
Außer meiner Arbeitsstelle komme ich ja so gut wie nie mit Menschen zusammen.
Aber da werde ich über Fähigkeiten und Defizite definiert. Teilweise werde ich mit leichtem Druck dazu gebracht, Defizite zu überwinden, teilweise akzeptiert man die Defizite. Niemand käme mehr auf die Idee mir das Haupttelefon in die Hand zu drücken. :D
Meine Fähigkeiten werden natürlich auch genutzt. Wenn ich was wesentlich schneller oder besser kann als andere, dann übernehme ich das meist. Einen kleinen Teil meiner Aufgaben mache ich nicht besser als die meisten anderen (Messeplanung). Aber es gibt keinen, der mir in Bildbearbeitung, Erstellen von Werbung, CAD-Zeichnungen +++ das Wasser reichen könnte.
Leider sind Autisten auch keine besseren Menschen als NTs. Finden die passenden Autisten zusammen, können sie sich toll ergänzen und was auf die Beine stellen. Finden die falschen zusammen, geht es genauso schief wie unter NTs.
Gruß
Andreas
11.09.06, 18:44:55
Snape
Leider sind Autisten auch keine besseren Menschen als NTs. Finden die passenden Autisten zusammen, können sie sich toll ergänzen und was auf die Beine stellen. Finden die falschen zusammen, geht es genauso schief wie unter NTs.
tja, das unterschreibe ich dir !
du weist denke ich woran ich dabei denken muß ?
nein, ich will es nicht wieder aufwäremen, obwohl es mir bei dem thema sehr schwerfällt, daran nicht zu denken.
aber ich denke mit dem zitat hast du recht !
gruß snape
11.09.06, 23:06:26
Lisa M.
Zitat:
Ich habe es mein Lebtaglang gehasst eine Pointe zu erklären, und wie!
Oh, da ergänzen wir uns hervorragend! :D Ich liebe es nämlich, Leute, die schlechte Witze machen (und schlecht ist jeder Witz, den ich nicht verstehe ;) ) rasend zu machen, indem ich mit möglichst ungerührtem Gesichtsausdruck hartnäckig und mit wissenschaftlicher Akribie auf eine Erklärung bestehe. (Leider gibt's hier keinen Smilie, der sich lachend am Boden rollt.) Das ist dann übrigens bei mir kein AS, sondern pure Bosheit! :cool:
Zitat:
Mit extremster Anstrengung und viel Übung hat sie es geschafft, dass sie wieder laufen konnte. Entscheiden war auch ihr Wille! Und nun das Fazit: Sie wurde in ihrer "Gruppe" keinesfalls dafür nur bewundert, mitnichten lud als ermunterndes Beispiel ein. Neee! Sie wurde von einigen angefeindet.
Ja, sicher. Gerade *weil* sie ein ermunterndes Beispiel ist. Da rührt sich bei anderen im Hinterkopf der Gedanke, ob sie das etwa auch schaffen könnten, wenn sie sich entsprechend anstrengen, aber es fehlt an Antrieb, Motivation, Power, und das macht schlechte Laune - die sich prompt gegen den Auslöser richtet.
Zitat:
Und das ist doch der Punkt sich zu fragen inwiefern Leidensgemeinschaften überhaupt echte Gemeinschaften sind? Versteht hier irgendwer was ich tatsächlich meine?
Ich glaube schon. Eine echte Gemeinschaft sollte sich über mehr definieren als über gemeinsames Leiden. Allein schon, weil man sonst geradezu sozial verpflichtet ist, weiterzuleiden, damit man seine Gemeinschaft nicht verliert. Eine echte Gemeinschaft sollte ihren Mitgliedern auch Entwicklungsmöglichkeiten zugestehen und ihre Persönlichkeit wertschätzen und nicht den Umstand, dass sie dies oder jenes Leiden haben.
Zitat:
Eine gute Frage. Definiert sich das Erleben in diesem Forum als Gemeinschaft? Wohlmöglich als eine Gemeinschaft die sich an Defiziten festmacht und somit diese Defizite zementiert?
Die Gefahr sehe ich. Das mit der Gemeinschaft hier im Forum empfinde ich aber nicht so krass... Da hab ich schon gemeinschaftigere Gemeinschaften erlebt. ;)
Und es ist auch ein bisschen mehr als ein Defizit, wenn man Leute trifft, die bestimmte Erfahrungen und Denkweisen nachvollziehen können und ähnlich strukturiert sind. Trotzdem sehe ich insgesamt die Gefahr, dass so eine "Autisten-Identität" gebastelt wird, die dann auch als Vorgabe wirkt, wie man zu sein hat, und dadurch auch Defizite zementiert.
12.09.06, 08:44:58
uppsdaneben
Ich kenne aus NT-Gemeinschaften folgendes Problem und ich weiß noch nicht, wie das bei AS-Gemeinschaften ist. Nämlich, dass es immer schwierig wird, wenn einer aus einer Gemeinschaft ausbricht, gen oben! In NT-Gemeinschaften wird man dann schnell wie ein Verräter behandelt.
`
Ich glaube nicht, dass bisher genügend Aspies ausreichend lange eng zusammen waren, um das wirksam auszuprobieren.
Ich denke allerdings, dass es unproblematischer ist, weil uns das Verhalten anderer Menschen recht egal ist, sofern wir nicht persönlich davon betroffen sind.
Daraus resultiert ein Problem. Wenn ein Aspie diese Gemeinschaft so sieht, dass sie nach gewissen Regeln (in seiner Vorstellung) funktioniert, wird jedes Ausbrechen aus dem (gedachten) Regelwerk als Verbrechen angesehen. Da wird wiederum kaum Gruppenzwängen unterworfen sind, wird es auch nicht so ansteckend sein.
12.09.06, 09:28:42
Lisa M.
Mir gefällt es jedenfalls gut, wenn ein Aspie sowas wie ein ermunterndes Beispiel für mich ist. Noch mehr, wenn ich mitkriege, dass solche Leute auch mit manchem zu kämpfen haben und das, was ich da gut finde, nicht ihnen so einfach zugeflogen ist und mir von Natur aus fehlt. Dann denke ich, dass das für mich auch erreichbar ist.
Und wenn ich grade keine Lust habe, mir ein bisschen mehr Mühe zu geben, kann ich da eigentlich auch ganz gut zu stehen. Ich hab mir schon Mühe gegeben im Leben, bis zur Erschöpfung. Wenn ich das nicht mehr mag oder mir nicht mehr zutraue, schade ich mir selbst wesentlich mehr als jedem anderen, und deshalb ist es meine Sache.
12.09.06, 10:25:45
Zapfsäule
Eine gute Frage. Definiert sich das Erleben in diesem Forum als Gemeinschaft? Wohlmöglich als eine Gemeinschaft die sich an Defiziten festmacht und somit diese Defizite zementiert?
Das wäre Kitsch pur!
16.09.06, 22:25:16
FrauFachmann
Hallo! Mir fällt noch was dazu ein: Erst wenn ich weiß, ob Autisten auch so eine Gruppendynamik entwickeln können wie sog. NT's oder ob jeder für sich tatsächlich ein unerschütterliches Bollwerk an Selbsttreue und Eigensinn ist, werde ich wissen, ob ich dem Autisten an sich besser vertrauen kann. Bis dahin bleibt für mich jedes Community-Gehabe, jeder Verein, jedes Gemeinwesen, jedes Zweckbündnis dass zumeist den irrationalen Ausschluss von Andersartigem impliziert dubios oder hippiesk. Man möge mich eines Besseren belehren.