Ist nicht jeder ein Egoist?
02.10.09, 23:09:05
Quadriga
geändert von: Quadriga - 02.10.09, 23:16:22
Ich wurde und werde häufiger immer wieder als Egoist im negativem Sinne bezeichnet.
Ich fragte mich daher letztens wieder einmal, was Egoismus eigentlich heißt/bedeutet.
Ich gehe hier von der übersetzten Wortbedeutung aus. Egoismus kommt aus dem Lateinischem (Ego-Esse) und bedeutet im Grunde auf Deutsch übersetzt "Ich-Sein".
So ist jeder Mensch ein Egoist, sofern er sich selbst ist; also jeder Mensch, der ein Ich-Empfinden hat. Dieser Begriff ist also sehr neutral und bezeichnet nur einen i.d.R. konstanten Zustand.
Wie kann man nun so einen Begriff in einer negativen Bedeutung verwenden, oder auch, wie kann man sowas abstufen? Ich bin entweder Ich, oder ich bin es nicht. Abstufungen scheinen mir hierbei unmöglich zu sein.
Der Begriff "Egozentrismus" hingegen ist hierbei etwas sinniger in dessen Verwendung bzgl dessen Bedeutung.
Lat. "Ego" und "Centrum". Also das "Ich" in den/einen "Mittelpunkt" gestellt. Man kann es besser abstufen und es sagt auch aus, was man wirklich meint. Nämlich, dass sich jemand sich selbst zu wichtig macht, bzw eben sich in den Mittelpunkt stellen möchte, bzw auf sich selbst (auf sein Zentrum/zentrales Ich) sehr fixiert ist.
Wie denken andere darüber? Mich würde das mal interessieren.
03.10.09, 06:18:49
Hans
Ich denke, die , die Dich mit Egoist bezeichnen, sind es selbst.
03.10.09, 10:14:15
feder
Zitat:
Egoismus kommt aus dem Lateinischem (Ego-Esse)
Wie kommst du denn darauf? -ismus stammt nicht von esse, sondern von der altgriechisch -ismos (vgl. auch altgriechische Verbalendung -izein). Diese -ismus - Begriffe sind in der Aufklärung (und später) ins Deutsche gekommen. Die Endung -ismus bezeichnet vor allem Glaubenssysteme/Lehren/Ideologien (siehe auch
Wikipedia). In Egozentrismus kommt -ismus übrigens auch vor.
Noch kurz zur Bedeutung von Egoismus: Im
Ethischen Egoismus (Achtung Englisch) (alternativ auch
Wikipedia, ist aber etwas nichtssagend) wird davon ausgegangen, dass eine Handlung dann moralisch richtig ist, wenn sie das Eigeninteresse des Handelnden befriedigt. Diese Bedeutung ist sicher auch in der alltagssprachlichen Bedeutung vorhanden. Der Begriff ist also ganz klar wertend und nicht eine Art wertneutraler Dauerzustand.
03.10.09, 17:13:54
Quadriga
geändert von: Quadriga - 03.10.09, 17:14:30
Ich wusste nicht, dass es solche latein-griechischen Hybridbildungen gibt. Hab es daher vom lateinischen "esse" abgeleitet, weil es für mich am naheliegensten war aufgrund des hervorgehenden "Ego".
Die einzige Fremdsprache, die mich - vorallem wegen der Grammatik - interessiert hat, war eben nur Latein.
Ich verstehe es aber dennoch nicht, wie man jemanden als Egoisten im negativem Sinne bezeichnen kann. Man sagt doch, dass jeder Mensch egoistisch sei. Jeder Mensch handelt - wenn auch nur unterbewusst - um auch für sich selbst einen Nutzen zu erzielen. Es wird auch behauptet, dass der Egoismus überlebenswichtig sei für das Menschentum.
Nur wie kann man dann die gemeinte Bedeutung solcher Aussagen erkennen? Wenn man mir sagt, ich sei ein Egoist, dann denke ich mir immer "Ja, ich bin auch Egoist und das ist auch gut so". Ich sehe das nicht als etwas schlechtes an oder als etwas, was man als Vorwurf oder negative Wertung verwenden kann.
Das verwirrt mich jetzt irgendwie.
PS: Mit dem englischen Text komme ich nicht gut zurecht.
03.10.09, 17:38:04
55555
Ich habe wie Hans andeutete tatsächlich den Eindruck, daß solche Aussagen dazu dienen sollen auf egoistische Interessen der Person hinzuweisen, die den anderen als Egoisten betrachtet. Sinn ist hier also die andere Person dazu zu bewegen mehr dem Willen der sich so äußernden Person nachzukommen. Verwandte Aussage: "Du bist ja ein Feigling / hast ja nur Angst."
03.10.09, 19:42:37
feder
geändert von: feder - 03.10.09, 20:17:54
An Egoismus finde ich persönlich nichts falsch, solange niemand dabei zu Schaden kommt. Wüsste nicht, wieso ich etwas tun sollte, was mir nicht gut tut/wofür ich gerade keine Zeit habe/..., nur weil jemand anderes das von mir verlangt.
Ich denke auch, solche Aussagen zielen häufig darauf ab, jemanden dazu zu bewegen, etwas zu tun, was die Person von sich aus vermutlich nicht tun würde.
edit: Hatte den englischen Text schon fast wieder gelöscht und dann doch dringelassen. Wenn du Hilfe brauchst, dann sag, wo die Schwierigkeit liegt.
03.10.09, 21:03:45
Quadriga
Hmm..
Ich denke, jetzt versteh ich es. Es ist also eine indirekte/unausgeprochene Aufforderung etwas zu tun bzw anders zu sein und nicht nur eine oder auch keine Beschreibung der eigenen Person.
@feder:
Kann dir hierbei nur zustimmen.
03.10.09, 22:27:41
anne1
Hallo,
ich denke, es ist die Aufforderung, sich hilfsbereiter zu zeigen.
Hmmm, kommt auf die Situation an.
Das in der Pubertät von den Eltern gelegentlich zu hören, finde ich, ist eher normal, weil die Eltern erwarten, daß man die Notwendigkeiten der Haushaltsführung begreift oder besser schon begriffen hat, und ihnen nachkommt.
Wenn mich ein Bekannter oder Freund versucht, damit unter Druck zu setzen, das zu tun, was er gerade von mir will, würde ich mich erstmal aus Prinzip schon weigern.
Wenn mir das aber jemand über mein Verhalten einem Dritten gegenüber sagt, würde ich gründlich darüber nachdenken und evtl nachfragen und mein Verhalten ändern. Es sei denn, die beiden sind beste Freunde/innen. Und selbst dann.
Viele Grüße, anne
05.10.09, 18:35:19
zoccoly
geändert von: zoccoly - 05.10.09, 18:44:55
Ich wurde und werde häufiger immer wieder als Egoist im negativem Sinne bezeichnet.
Ich fragte mich daher letztens wieder einmal, was Egoismus eigentlich heißt/bedeutet.
Auf die Definition wurde schon eingegangen, ich denke aber oftmals werde ich als egoistisch angesehen und kann diese Einschätzung auch nachvollziehen, genauso wie das Fehlurteil, ich wäre arrogant.
Ich denke, beides hat etwas mit nicht verstehen zu tun. Wenn ich mich nicht an Betriebsausflügen oder Feierlichkeiten beteilige, bestände ja die Möglichkeit der Erklärung meinerseits oder Hinterfragung durch die Kollegen. Passiert beides nicht, kommt es zum Fehlurteil, da man etwas vermutet.
Für einen NA ist es sehr schwer nachzuvollziehen, warum ich meine Routinen benötige und nur bedingt kompromissfähig sein kann. Noch komplizierter wird das Verständnis, wenn ich durchaus spontan sein kann, aber die Spontaneität, die von anderen kommt, mich fast "aushebelt". Wie ist einem NA zu vermitteln, dass ich immer den gleichen Urlaubsort benötige, am besten immer die gleiche Unterkunft und der Wunsch des NA nach Abwechslung nie Berücksichtigung finden kann. Ich glaube mein Verhalten muss ohne die Hintergründe zu kennen, sehr egoistisch wirken und an dieser Stelle sei auch mal erwähnt, dass es auch NA gibt, die das Mitleben und es nicht als Egoismus sehen.
09.10.09, 08:09:42
Linde
Ich unterscheide eher zwischen Egoismus und Rücksichtslosigkeit.
Egoismus ist für mich eher nichts negatives, aber nur, wenn es nicht auf Kosten anderer geht. Das ist natürlich immer wieder eine Gratwanderung, es geht um Abgrenzung zwischen dem ICH und dem DU.
09.10.09, 14:03:00
55555
Ich denke der Punkt ist wohl, daß viele hierzulande wie selbstverständlich davon ausgehen, daß Vorteile des einen immer Nachteile von anderen sein müssen. Man ist fixiert auf Win - Loss und sieht oft nicht die Möglichkeit von Win - Win.
10.10.09, 16:21:57
Quadriga
geändert von: Quadriga - 10.10.09, 16:29:00
Hallo,
ich denke, es ist die Aufforderung, sich hilfsbereiter zu zeigen.
Ich bin i.d.R. sehr hilfsbereit, nur ist es eher so, dass man mich bezüglich handwerklicher Hilfe fragen muss und ich dann auch erst überlegen möchte, ob ich das kann, ob ich Zeit dafür habe, ob es auch anerkannt werden wird, ob es Erpressung ist, oder ob es wirklich nur daher kommt, dass der andere damit große Schwierigkeiten hat und es nur eine (flehende) Bitte ist.
Aus diesem Grund kann ich auch nicht immer spontan "Ja" sagen und nicht gleich zusagen oder etwas versprechen. Häufig wird das dann wohl auch als "faul" oder "egoistisch" angesehen.
Wenn ich jedoch zusage, mache ich es auch; aber auch eine zeitlich unbefristete Zusage bedeutet nicht, dass ich es sofort mache, sondern erst dann, wenn ich selbst es einplanen kann.
Meine nützlichen/hilfreichen Gedanken und Ideen und Kritik zu einer Sache hingegen kommen oft von mir aus ohne einer vorhergehenden Fragestellung. Diese werden aber häufiger nicht angenommen, abgewertet, oder auch völlig nichtig gemacht. Dabei sind für mich Gedanken gleichwertig zum Handwerk zu stellen.
Ich denke der Hauptgrund, dass ich so bezeichnet werde, ist es also, dass man mich auch nicht immer direkt nach Hilfe fragt, dass ich mir in vielen Punkten viel Zeit lasse, einiges aufschiebe und es mehr oder weniger frei planen möchte. Und auch, dass ich nicht zu allem "Ja" sagen kann, da ich auch meine Zeit mir einteilen/planen muss und ich sowieso schon sehr oft unter Dauerstress stehe. Gerade letzteres kann kaum jemand wirklich nachvollziehen, selbst wenn ich es direkt so sage. Zudem ich vieles alleine mache, was kaum jemand anderes bemerkt, oder wofür sich nur kaum jemand auch interessiert, oder es als unsinnig erachtet, was ich mache.
Ich sagte schon häufiger:"Fragt mich einfach, und ich schau, was ich tun kann. Stresst/Hetzt mich aber nicht damit."; "Ich kann keine Gedanken lesen, oder Erahnen, was man von mir will, wenn man es nicht sagt"