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Autistisch, verrückt, normal?

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29.06.09, 02:58:16

Isabella

Die Situationen häufen sich: Beim Einkaufen sitzt mein Sohn - so schnell kann man garnicht gucken oder handeln - im Einkaufswagen eines Käufers, der nach mir in der Schlange steht; hat die Eier und das Gemüse platt gesessen. Neulich in Wien hat er sich im Park vor der Albertina splitternackt ausgezogen und ist laut lamentierend über die Wiesen gerannt und auf die Straßen (mußte hinterher). Vorgestern hatten wir einen wichtigen Termin zur Krankengymnastik. Es hat geregnet. Mein Thaddäus wollte unbedingt mit Taucherbrille, Schnorchel und Entenfüße (Flossen) losziehen; nichts hätte ihn daran gehindert. Um einem "Anfall" zu entgehen, habe ich ihn gewähren lassen und wir sind in diesem Aufzug (er hatte dazu noch eine grüne Regenjacke an) mit der Straßenbahn durch halb Köln gefahren. Wenn ich in den Kindergarten komme und frage: "Wo ist Thaddäus?", erhalte ich zur Antwort:"Der liegt im Schrank und schläft."
Alle lachen, weil es ist ja so lustig und niedlich. Aber ich mache mir Gedanken, wie es sein würde, wenn er älter sein würde. Ist diese Verhaltensform autistisch? verrückt? normal? Welche Erfahrungen habt Ihr diesbezüglich? Ich weiß ja, daß ich nichts machen kann, wenn er etwas unbedingt durchsetzen muß (Ritual). Mich interessiert, ob jemand solche Vorgehensweisen kennt, sich damit identifiziert, etwas dazu zu sagen hat, oder mir schlicht und ergreifend Hinweise geben kann, wie ich in solchen Momenten am besten reagieren sollte. Weil, das bewegt sich so auf der Grenze zwischen Verständnis und Erziehung.
29.06.09, 07:07:07

haggard

warum schläft er in einem schrank?
wird er dort weniger von anderen gestört?

nachdem ich gefragt wurde, ob ich einen knall hätte, als ich bei starkem regen in badekleidung (und taucherbrille) auf der straße umherlief, tat ich das nicht mehr. nicht, weil es mir schwachsinnig vorgekommen wäre (ich fand das absolut logisch, nachdem ich schwimmbäder kannte mit duschen, dass man badekleidung trägt, wenn "es" nass ist - auch in der dusche oder badewanne...hat lange gedauert, bis ich mich auch davon wieder verabschiedete). es gibt dieses lied. von den geräuschen darin wurde und wird mir schlecht. außerdem hatte ich den text nicht verstanden und muss mich heute bemühen, ihn richtig zu verstehen. in meiner vorstellung platzt dieses boot ständig sehr laut und wenn jemand einen knall hat, hat er dieses geräusch. weil ich dieses geräusch nicht hatte, traute ich mich nicht mehr in diesem "aufzug" auf die straße zu gehen - ob andere sonst das geräusch hörten...das ich nicht hören konnte?...

vor allem ist das verhalten mit badekleidung ein anderes, als wenn man tageskleidung trägt. mit badekleidung benötigt man keinen regenschirm. im schwimmbad geht niemand mit regenschirm oder kapuze schwimmen. in badekleidung kann man sich auch in pfützen setzen - das darf man mit tageskleidung nicht... "wasserkleidung" bei regen hat also nur vorteile.;)

weiß nicht, welche gründe dein sohn für seine jeweiligen aktivitäten besitzt, aber ich vermute stark, dass sie alle sinnvoll sind für ihn.
29.06.09, 09:52:16

Bluna

An Isabella:
Wenn ich dich recht verstehe,ist deine Sorge überspitzt gesagt,dass er womöglich mit 15 auch noch so rumlaufen möchte und was deine Position dabei ist,ihn an diesen Punkten nicht dem Spott anderer Leute auszusetzen.Kann man das so verstehen?

Was meine Erfahrungen betrifft,war es so,dass auf viele solcher Dinge mit dem Älterwerden nicht mehr soviel Wert gelegt wurde,die auch wirklich auszuleben.Es ist schon so,dass im Lauf der Zeit eine gewisse Anpassung an die Gegebenheiten im Umfeld stattfindet.
Ich hab bei meinen Kindern die Erfahrung gemacht,dass das ein Prozess war auf den ich relativ wenig Einfluß nehmen musste.
Als Orientierung kann zunächst einmal dienen den Schwerpunkt darauf zu legen,dass er sich nicht selbst in Gefahr bringt(nackt herumlaufen zum Beispiel)
Ihm die Welt erklären,so wie sie eben ist,er wird nach und nach seine Schlüsse daraus ziehen.

29.06.09, 12:02:08

quamquam

Ich würd mir da auch keine Sorgen machen. Kinder orientieren sich in dieser Welt auch, da gehören auch komische Dinge zu.
Mein kleiner Bruder, zum Beispiel, ist nicht Autist und ist dennoch als Kleinkind immer mit den Kleidern meiner kleinen Schwester rumgelaufe. Warum? Keine Ahnung. Er wollte es so und er hat auch weniger Rücksicht darauf genommen.
In dem Alter ist Kindern sowas noch egal. Sie wissen nicht, dass es von der Gesellschaft abgelehnt wird. Das lernen sie erst mit den Jahren. Heute trägt mein Bruder auch keine Kleider mehr.
29.06.09, 17:47:03

Smilla

He, das mit der Badekleidung kenne ich auch. Ich habe als Kind immer meine Mutter danach gefragt, wieso man denn bei Regen, zumindest dann, wenn es warm ist, nicht die Badesachen anzieht und sich draußen wie beim Duschen fühlt, und in die Pfützen setzt.

Mir wurde es schlussendlich mit dem Zweck des "Rausgehens" erklärt: Man geht bei Regen nur raus, um von A nach B zu kommen und nicht, um zu "duschen"... da man bei B in trockenem Zustand und vollständig bekleidet ankommen möchte, trägt man Regenkleidung und Schirme, die die "Haus-Kleidung" vor Wasser schützen.

Ins Schwimmbad geht man ja bewusst, um nass zu werden und zu baden, da haben die Schwimmutensilien dann ihre Berechtigung, da normale Kleidung einen beim Schwimmen behindern und in nassem Zustand auf der Haut unangenehm wäre.

Naja, soweit ich mich erinnere habe ich das Pfützen-Setzen einige male im heimischen Garten zelebriert und diese Erklärun meiner Mutter ansonsten akzeptiert.

Ich denke, man kann mit einem autistischen Kind in gewissem Maße Vereinbarungen treffen und auch Kompromisse eingehen. In meinem Falle war das dann: Schwimmkleidung bei Regen im Garten, ja, Schwimmkleidung auf dem Weg nach wo anders, nein.

Wegen den Einkaufswägen: Kannst du nicht versuchen, ihm zu erlauben, sich in EUREN Einkaufswagen zu setzen, aber nicht in fremde? Die "zerbrechlichen" Lebensmittel (Eier, Gemüse) kann man ja dann dort lagern, wo er sich nicht hinsetzt (entgegengesetztes Ende des Wagens oder Kindersitz, wenn er da nicht rein will) und auf Klopapier, Seife, Käseaufschnitt & Co kann ein Kindergartenkind wahrscheinlich auch mal ohne Sachschaden sitzen...

Bei mir hatte die "Vereinbarungs-Maßnahme" immer gut funktioniert, weil ich getroffene Vereinbarungen mit meinen Eltern sehr wörtlich nahm und 100%ig einhielt. Wenn ich um 6 zu Hause sein sollte, schaute ich auf meine Uhr und klingelte exakt auf die Sekunde(!) um 6.
Ich weiß ja aber nicht, inwieweit die sprachliche Kommunikation mit deinem Kind funktioniert?

Ob er das später noch machen wird, bleibt abzuwarten, aber in den meisten Fällen sollten sich auch bei autistischen Kindern die Interessen verlagern, so dass man sich erstmal nicht allzu viele Sorgen machen muss, denke ich.
30.06.09, 00:05:18

drvaust

Ich vermute, daß das eine Frage des Verständnisses ist.
Er hat etwas falsch verstanden oder unüblich gedacht. Für ihn wird das logisch sein.
Mit zunehmendem Alter versteht man das besser und lernt, was üblich ist.
Frage ihn, warum, und erkläre es ihm richtig, dann wird er es auch besser verstehen.
Zitat von Isabella:
... sitzt mein Sohn ... im Einkaufswagen eines Käufers, der nach mir in der Schlange steht
Sitzt er manchmal in Deinem Einkaufswagen? Macht er das öfters oder war das ein Einzelfall?
Vielleicht hat er nur den Einkaufswagen verwechselt?
Zitat von Isabella:
Wenn ich in den Kindergarten komme und frage: "Wo ist Thaddäus?", erhalte ich zur Antwort:"Der liegt im Schrank und schläft."
Könnte es sein, daß er dann die Ruhe im geschlossenen Schrank braucht?
Er achtet wohl auf seine Bedürfnisse. Das ist besser als bei vielen Kindern, die bei Überlastung immer mehr aufdrehen.
Vielleicht gibt es dafür eine bessere Lösung, z.B. daß er in einem ruhigen Raum auf einer Liege schläft.
30.06.09, 12:29:43

Viktor*

Hoert sich an wien normaler Junge, der ausprobierfreudig ist =) und ein kleiner Abenteurer noch dazu.

In der Schule 8. Klasse hatten wir einen Schrank, wo einige Schueler sich regelmaessig reingesetzt haben, dort gedoest oder so versucht haben, nicht auf den Pausenhof zu muessen.

Ich wollte damals als 4 Jahre alter Knrips in meiner Sportausruestung raus, fand das cool, meine Mutter leider nicht :p
01.07.09, 23:12:51

Wasserspiegel

Hallo Isabella,

Ich hatte auch als Kind seltsame "Marotten" gehabt.
Jeden Samstag sind wir, als ich noch im Kindergarten war, in ein chinesisches Restaurant gegangen. Nach dem essen war ich oft müde. Da ich kein Bett hatte, legte ich mich einfach unter den Tisch. Dort war es dunkel, reizärmer und für mich gemütlicher als auf dem Stuhl sitzen zu bleiben.
Alle aus meiner Familie fanden das recht amüsant, von der Wirtin bekam ich sogar irgendwann ein Kissen gebracht, sodass es "dort unten nicht mehr so hart sei" meinte sie. Ich habe den Satz zwar nicht ganz begriffen, war aber trotzdem recht dankbar für das Kissen. ;o)

Dein Sohn wird seinen Weg schon machen. Er erschließt sich nur auf eine etwas andere Weiße als die meisten, seine Umwelt. Gib im Zeit, störe ihn nur in seiner Handlung, wenn er sich in Gefahr bringt.
Den Rest regelt er irgendwann selbst...
05.07.09, 05:29:45

Hans

Vor vielen Jahren arbeitete ich in einer Firma in der ein
begehbahrer und beheizter Schrank mein bevorzugter Aufenthaltsort
in der Mittagspause war.
In dem Schrank hatte es konstant 40 grad und Regale wo sich ein Mensch bequem hinlegen konnte.
Die Kollegen haben sich darüber lustig gemacht, na und,
ich hatte es warm,
während sie mit ihrer übertriebenen "Lüfterei" die Mittagspause über leicht froren.
Mich hätte es noch mehr gefroren.

Dieses "Austesten im Kindesalter" ist auch ein Austesten,
wie viel "Lächerlichkeit" kann ich ertragen,
um das Leben erträglicher zu machen.

 
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