Kapitalismus als Religion
06.06.09, 22:32:58
Bluna
Die Gesellschaft glaubt an den Kapitalismus.
Sie glaubt,dass er ihr Schicksal ist und die einzige Chance ihr Schicksal zu gestalten.
Die Gesellschaft fühlt sich dem Kapitalismus verbunden,wie sie sich früher mit jenen Geistern und Göttern verbunden fühlte,die man zwar anrufen ,zu denen man beten und denen man opfern konnte,deren Launen letztenendes jedoch, trotz allem überraschend und unerforschlich blieben.
Rentenfonds und Rendite machen so gläubig,dass gar mancher meint,die Belohnung für diesen Glauben sei die Sorgenlosigkeit durch "Absichern".
Über Glauben ,Beten und Hoffen geht es selten hinaus und dies wird von einem Gefühl der Ohnmacht begleitet.
Im Kapitalismus ist eine Religion zu erblicken,,die dem kapitalistischen Gott huldigt.
Wie geht es euch damit?
Wie geht ihr damit um,dass es sich hier um eine Erscheinung handelt,die nicht mit Händen zu greifen und nicht in den Griff zu kriegen ist?
Ist das aussersinnlich?
06.06.09, 23:18:02
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Alter Thread
07.06.09, 13:55:23
Bluna
Kann man den Kapitalismus als Wesen wahnehmen,das sich vollkommen unserem Wissen darüber entzieht und somit nur noch glaubensartige
Erkenntnisse darüber zulässt?
Im Prinzip kann doch kein Mensch irgendwelche Aussagen über die Vorgänge machen,die dem Kapitalismus zugrunde liegen.
Wissenschaftler raufen sich die Haare,wenn sie versuchen Thesen oder Prognosen in Bezug auf dessen Entwicklung aufzustellen.
Niemand weiß etwas tatsächlich darüber.
Das ist doch wie ich finde religiös trotzdem daran zu glauben und zu vertrauen,auf etwas was im Ansatz nicht zu begreifen ist.
Wenn ich darüber nachdenke,wie die ganze Welt auf dieses gottähnliche Wesen vertraut,wird mir ganz schlecht.
Könnt ihr euch dem Ganzen entziehen oder glaubt auch ihr,im Sinne dieser Religion?
08.06.09, 03:55:03
drvaust
Ich sehe Kapitalismus nicht als Religion, sondern als Zustand, als Gesellschaftsordnung.
Kapitalismus ist eine Gesellschaftsordnung wie Monarchie, Faschismus, Demokratie, Kommunismus usw.. Die Definition und Abgrenzung ist nicht ganz klar.
Ich sehe Kapitalismus nicht als Glauben, obwohl einige Menschen an die Überlegenheit des Kapitalismus glauben, oder gerade nicht.
Im Prinzip kann doch kein Mensch irgendwelche Aussagen über die Vorgänge machen,die dem Kapitalismus zugrunde liegen.
Wissenschaftler raufen sich die Haare,wenn sie versuchen Thesen oder Prognosen in Bezug auf dessen Entwicklung aufzustellen.
Niemand weiß etwas tatsächlich darüber.
Das ist doch wie ich finde religiös trotzdem daran zu glauben und zu vertrauen,auf etwas was im Ansatz nicht zu begreifen ist.
Es gibt einige gute Theorien über den Kapitalismus. Z.B. 'Das Kapital' von Karl Marx, obwohl das etwas alt, nicht mehr auf dem neuesten Stand ist. Die Funktionsweise des Kapitalismus ist relativ klar, aber nicht die Weiterentwicklung und die einzelnen Erscheinungen.
Die Politik der kapitalistischen Staaten, nach innen und außen, und besonders der Wirtschaftsmächte, ist dagegen relativ unklar. Bzw. die Ziele sind klar, jedoch die Methoden werden ständig weiterentwickelt und verschleiert.
08.06.09, 08:28:39
die sigi
Ich finde schon, dass der Kapitalismus, und insbesondere das Geld zu einer Art Religion geworden ist, die allerdings in die Irre geführt hat, wie der große Finanzcrasch jetzt gezeigt hat.
Religion ist ja grundsätzlich in meinen Augen etwas, was Menschen machen.
Religion hat eine Kernaussage, an die die Menschen dran glauben und sich ihr mehr oder weniger hingeben.
Und das trifft auf den Kapitalismus zu. Die Kernaussage: Geld ist gut und man muss möglichst viel davon haben, dass es einem gut geht.
Unbd das hatten viele Menschen bis vor kurzem noch, zwar in Form von Aktien, aber die gaben Sicherheit, bis zu dem Punkt, als die Kurse in den Keller fielen.
Die Menschen haben danach gestrebt, möglichst viel Geld zu besitzen, um möglichst viel Sicherheit damit zu bekommen.
Dass diese Werte nicht von Bestand sind, merken sie jetzt und wenden sich vermehrt wieder den herkömmlichen Religionen zu.
Es gibt in meinen Augen nur eine Religion, die nicht menschgemacht ist, und dass ist Jesus mit seinem Evangelium von Liebe, Freiheit und Gemeinschaft/Beziehung.
Das sind meine Werte, nach denen ich mich ausstrecke.
Liebe Grüße, sigi
08.06.09, 10:06:01
Bluna
Ich sehe im kapitalistischen Gott als dynamisch,tätiges Wesen,dass seine eigenen Gesetzmäßigkeiten hat,dass sich der Ordnung entzieht,die der Mensch gerne dafür hätte,dem der Mensch ausgeliefert ist, weil seine Wirkungen im Grunde alle Menschen betreffen.
Sicher gibt es Theorien über Kapitalismus,doch welche davon lassen tatsächlich Rückschlüsse auf dieses Wesen und seine Eigenschaften zu?
Smilla hat im Thread "Religion" geschrieben:
"Wenn eine Frage nicht klärbar ist,hör ich mir gerne irgendwelche Theorien dazu an,aber dieses Thema würde bei mir stets in der "Antwort -unklar "-Schublade rangieren."
"Mein nach Logik suchender Verstand,würde es mir nicht erlauben zu glauben"
Nach meinem Verständnis umfasst Religion eben auch Dinge,wie oben beschrieben,an Etwas glauben eben und der Glaube an den Kapitalismus ist doch sehr groß.
Wie geht ihr mit diesen Widersprüchen um?
08.06.09, 11:27:48
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Vielleicht sollten wir noch etwas differenzieren um was es eigentlich gehen soll. Ist das Geld gemeint? Das Prinzip Gewinn zu erwirtschaften?
08.06.09, 12:05:20
Bluna
Von meiner Seite ist das sozusagen allumfassend gemeint.
Der Kapitalismus zum einen als weltumspannendes Wirtschaftsprinzip.
Zum anderen in seinen Auswirkungen ,auf den Menschen in Sozialstrukturen und die Natur/Umwelt-Beeinflussung.
Und der Mensch in seiner Haltung demgegenüber:gläubig ,vertrauend,unwissend tätig.
09.06.09, 02:56:19
drvaust
Ich sehe den Kapitalismus nicht als Glaubensangelegenheit.
Vereinfacht bedeutet Kapitalismus, wer das Kapital hat, hat die Macht.
Dazu gibt es Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge, die man lernen kann.
Glauben kommt nur durch die Politik und Verschleierung in diese Gesellschaftsordnung.
Natürlich soll das Volk glauben, daß die mächtigen Kapitalisten gut und wohltätig sind.
Natürlich soll das Volk glauben, daß man mit viel Arbeit auch reich werden kann.
Natürlich soll das Volk glauben, daß die Regierung dem Volk dient.
Früher sollte das Volk glauben, daß die Fürsten gut und gerecht sind.
Manchmal denke ich, daß die Fürsten besser waren,
als der Kapitalismus.
Und der Mensch in seiner Haltung demgegenüber:gläubig ,vertrauend,unwissend tätig.
Wo das Wissen aufhört, fängt der Glauben an. Man sollte wissen, statt zu glauben.
Die Unwissenheit des Volkes sichert die Macht der Herrscher.
09.06.09, 10:56:49
55555
geändert von: 55555 - 09.06.09, 10:57:16
Kapitalismus würde ich eher für ein System halten, das diese Macht von Geld-, Wissens- und Beziehungsanhäufung zulässt und darauf vertraut, daß soetwas wie eine "unsichtbare Hand" dieses Kräftespiel zum Guten für die Menschen ausgehen läßt, so daß die meisten Menschen (in einem umgrenzten Land und aus begrenzten zeitgenössischen Generationen) davon profitieren.
So gesehen wäre Kapitalismus eben der Glaube nicht in diese Zusammenhänge an sich, sondern der Glaube an deren letztendlich vorhandenen Nutzen im o.g. Sinne.