Dem Schwachen wird nicht geholfen
10.05.07, 10:29:41
Altpapier
Mir kam es schon manchmal so vor, daß nicht wenige Menschen hilfsbereit sind, jedoch die Hilfe abrupt einstellen, wenn sie erfahren, daß man die Hilfe ernsthaft braucht. Nun habe ich mal wieder soetwas erfahren. Ist das ein biologisches Programm ähnlich dem, nachdem Vögel ihre schwächsten Kücken aus dem Nest werfen?
10.05.07, 11:26:43
Jutta
Was du erlebt hast kannst du nicht verallgemeinern - es gibt auch Menschen die ganz wild darauf sind zu helfen ( siehe Helfersyndrom)
Ist nur traurig überhaupt solche Erfahrungen machen zu müssen :(
10.05.07, 14:39:15
drvaust
geändert von: drvaust - 10.05.07, 14:42:40
Die meisten Menschen helfen gerne mal, das scheint so einprogrammiert zu sein, zum Erhalt der Gesellschaft.
Aber wenn das Helfen unangenehm ist, wird ignoriert oder nach den Verantwortlichen gerufen. Wenn das Helfen zum lästigen Dauerzustand wird, läßt die Hilfsbereitschaft nach, dann ist die Rede von Wegbringen (in ein Heim).
Z.B. hatte ich vor längerer Zeit erlebt, wie ein Mensch, auf einem vielbegangenen Fußweg, sich am Boden wälzte, betrunken, Epilepsie o.ä.. Die Menschen machten einen großen Bogen drumherum. Nach einiger Zeit kam die angerufene Polizei. Dieser Mensch war betrunken, was aber nicht zu sehen war.
Ich treffe in der Straßenbahn manchmal eine Frau mit Tourette-Syndrom, die macht Geräusche und zuckt, mehr oder weniger. Oft höre ich da erboste Kommentare wie 'Zumutung' und 'in ein Heim bringen'.
Bei kleinen Hilfen, die nicht viel Mühe machen, sind die meisten Menschen sehr hilfsbereit, manchmal lästig.
10.05.07, 15:08:05
Goldloeckchen
Ja, da kann ich Drvaust nur zustimmen. Ich selbst habe schon zweimal beobachtet, dass wer auf offener Straße zusammen geschlagen wurde und niemand was unternommen hat. Gut, ich kann verstehen wenn sich kein Einzelner einmischen will weil es ja auch gefährlich werden kann. Aber was man tun könnte ist die Polizei informieren was ich ja dann auch getan habe. Oder eine weitere Möglichkeit wäre sich mit mehreren zusammen zu tun. Aber in den Punkt bemerke ich sowas wie eine allgemeine Kommunikationsstörung bzw. scheinen die Leute sich von solchen Situationen überrumpelt vllt auch belästigt zu fühlen. Das denke ich mir zumindest. Das habe ich eigentlich nicht. In solchen Fällen kann ich meine Barriere überwinden und Leute für mich bzw. für jemand anders mobilisieren. Die meisten entgegnen mir das so als ob es ihnen lästig wäre. Mein Eindruck.
Aber was mir noch desöfteren passiert:
Ich selbst bin ja beim SPZ. Nun, es gibt Angelegenheit die ich je nach Tagesform gut bewältigen kann und dann wiederrum andere die ich auch wenn die Tagesform stimmt kaum selbst erledigen kann. Aber da ich eins gut kann geht mein Betreuer davon aus, dass ich das Andere auch kann. Daher wird das Hilfsangebot reduziert oder teils eingestellt. Das ist eine Sache die ich mit meinen Betreuer erstmal besprechen musste.
11.05.07, 20:26:33
Altpapier
Aber wenn das Helfen unangenehm ist, wird ignoriert oder nach den Verantwortlichen gerufen.
Ich habe schon mehrfach erlebt, daß Menschen mir über lange Zeit immer wieder geholfen hatten und als sie dann von ernsten Schwierigkeiten erfuhren diese Hilfe eingestellt hatten ohne, daß sie mehr helfen hätten müssen als bisher oder gar gefragt worden wären. Ein NA-Bekannter klagt, daß ihm seine Eltern dann Geld geben, wenn er genug haben würde und ihm keins geben, wenn er damit knapp sei. Mir scheint da eine Regel zu existieren, daher der Thread.
11.05.07, 22:44:56
drvaust
Die Menschen umgeben sich gerne mit erfolgreichen Menschen, denen es gut geht, da will man dazugehören. Elend deprimiert, das will man nicht sehen.
Andererseits:
Gelegentlich etwas helfen kann angenehm sein. Damit kann man auch Macht demonstrieren. Der Hilfsbedürftige ist abhängig, unterlegen und muß dankbar sein.
14.05.07, 16:57:39
McCloy
man sollte nicht alle menschen über einen kamm scheeren. ich zum beispiel suche meine bekantschaften nicht nach dem erfolg aus und helfe auch gerne den schwächeren. man muß ihnen damit ja nicht zeigen das man was besseres ist .
17.05.07, 09:37:52
Altpapier
Vielleicht veranlasst diese Menschen ihre Hilfe einzustellen, wenn sie nach dem Wissen um ernste Schwierigkeiten sich selbst unter moralischem Druck fühlen zu helfen und diesem moralischen Druck dann ausweichen, indem sie gar nicht mehr helfen oder nur widerwillig? Vielleicht enpfindet das der Vogel auch so, der seine schwächeren Kinder aus dem Nest wirft?
Viele Menschen halten sich für hilfsbereit, was mir oft mit der Realtität wenig zu tun zu haben scheint.
17.05.07, 11:30:31
bellaria
hilfs-bereit = Ich bin bereit, zu helfen - doch wenns drauf ankommt, dann tu ichs ned ;-)
Zwischen Absichtserklärungen und Realität herrscht nie Übereinstimmung, das kennen wir doch aus der Politik. Hilfsbereitschaft ist eine der Eigenschaften, die jeder für sich in Anspruch nimmt, weil sie sehr positiv besetzt ist. So wie Humor, Treue, Fleiß, ... Die wenigsten sind es wirklich.
Es gibt auch Menschen, die mit Hilfsbereitschaft sehr schlechte Erfahrungen gemacht haben, und sich jetzt davor schützen, ausgenutzt zu werden.
Manchmal ist Hilfe auch was anderes, als derjenige grade möchte: In manchen Lebenskrisen schadet eine teilweise Reduktion des Leidensdruckes sogar, weil sie einen unhaltbaren Zustand verlängert. Zum Beispiel bei Alkoholikern: Da ist Hilfe zu verweigern der erste Schritt, dass sie wenigstens erkennen, dass sie ein Problem haben.