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Gestützte Kommunikation (FC) ist zweifelhaft

original Thema anzeigen

15.09.06, 20:27:42

Wursthans

Zitat:
Biermann (1999) stellt aufgrund ihrer Zusammenfassung und Analyse der experimentellen Untersuchungen fest, dass 20% der Schreiber nach Ansicht der jeweiligen Autoren der Studie valide FC-Kommunikationen zeigten. 80% der Schreiber hingegen verloren ihre vorher unter FC gezeigten Fähigkeiten, sobald die Stützer die Frage nicht kannten oder die Antwort nicht kannten oder nicht auf die Buchstabentafel bzw. Tastatur sehen konnten.

Die erfolgreichen 20% der Probanden konnten bis auf wenige Ausnahmen lediglich einfache Aufgaben (z.B. das Niederschreiben nach visueller und auditiver Vorlage) mit FC besser bewältigen als ohne FC. Allerdings nur manchmal, d.h. nie durchgehend über alle Bedingungen, nie mit durchgehendem Erfolg und nur nach intensiver Übung.

http://www.uni-koblenz.de/~proedler/fc.htm

Ist FC vor allem in den meisten Fällen eine Therapie für die Angehörigen?

Eine weitere Frage dürfte sein ob Birger Sellin tatsächlich die unter seinem Namen veröffentlichten Bücher schrieb oder darin die Projektionen seine Mutter zu lesen sind. Weiß jemand ob nachgewiesen ist, daß er nach oben erwähntem Test tatsächlich über FC kommuniziert?
15.09.06, 20:49:25

Lisa M.

geändert von: Lisa M. - 15.09.06, 20:50:01

Weiß ich wohl, dass die zweifelhaft ist. Aber nehmen wir mal an, die FC funktioniert nicht und die Leute glauben dran. Was wäre das Resultat? Sie gehen davon aus, dass ein autistischer Mensch, der sich nicht (anders) verständigen kann, durchaus ein denkfähiges Wesen ist, ernst genommen und gefördert werden sollte. Während sie ihr seltsames Projektions-Spiel mit ihm treiben, bekommt er immerhin einiges an Aufmerksamkeit und wird pfleglich behandelt. Und wie du schon schriebst: Für die Eltern ist es ein schöner Glaube.

Und nehmen wir mal an, die FC funktioniert und die Leute glauben nicht daran. So rum müssten Birger Sellin und andere auch noch ertragen, dass ihre Aussagen abgetan werden mit einem "Sowas kann der gar nicht können."

Ich finde, wovon man ausgeht, sollte man nicht nur daran festmachen, was aufgrund von Wissensstand und Testmethoden wahrscheinlicher erscheint, sondern auch daran, in welchem Fall es eventuell fatal wäre, wenn man sich irrt.
15.09.06, 20:57:34

Wursthans

geändert von: Wursthans - 15.09.06, 20:59:15

Bestehen denn noch irgendwelche Zweifel, daß das nicht seriös ist? Ich bin nicht sicher, ob es von Vorteil ist, wenn sich Angehörige über diese Projektionsschiene mit Autisten befassen. Es kann eventuell auch schaden wenn der Autist versteht, daß man glaubt er äußere sich aber das nicht tut. Es wäre mal interessant zu wissen was dabei in deren Gehirn passiert.
15.09.06, 22:58:21

Lisa M.

geändert von: Lisa M. - 15.09.06, 23:15:16

Den Artikel fand ich sehr lesenswert - danke! - und kommentiere ihn hier in Auszügen mal. Ich habe die Kommentare gleich beim ersten Lesen geschrieben und fand es ganz witzig, das so stehenzulassen.

Vielleicht hat ja jemand Lust, den Artikel zu diskutieren?

--

Der verlinkte Artikel sieht das mit den Gefahren beim gestützten Schreiben genau andersrum:

Zitat:
Die Anwendung der Methode kann dazu führen, dass der FC-Schreiber Texte tippt, die nicht von ihm sondern von der stützenden Hilfsperson stammen. Die Gefahren dieses Phänomens werden in der deutschsprachigen Fachliteratur bagatellisiert, u.a. mit dem Hinweis auf die Interaktivität jeglicher Kommunikation.

Um aktuellen und potentiellen FC-Anwendern eine möglichst informierte Entscheidung und Risikoabschätzung bezüglich des Einsatzes der Verfahrens zu ermöglichen, soll - ausgehend vom aktuellen Forschungsstand unter Einbeziehung neuerer US-amerikanischer Untersuchungen - dargestellt werden, mit welchen negativen Wirkungen und ethischen Problemen für verschiedene Untergruppen von FC-Benutzern zu rechnen ist.


Ja, jetzt bin ich mal gespannt auf die negativen Wirkungen und ethischen Probleme! Leider kommt lange Zeit nichts darüber, sondern nur, dass für die *Mehrheit* der FC-gestützten Schreiber, die untersucht wurden, wohl gilt, dass es mit dem Schreiben nur klappt, wenn der Stützer die Inhalte kennt.

Zitat:
Auch in der einzigen deutschen kontrollierten Studie (Hildebrandt-Nilshon et al. 1998) waren die oben zitierten Fehlerquellen weitgehend ausgeschlossen, dennoch zeigten nur sieben der 25 untersuchten FC-Schreiber "positive Hinweise" auf Literalität - allerdings längst nicht auf dem Niveau, das die von diesen Schreibern mit FC produzierten Texte vermuten ließen.


Das sind schon mal 28%. Und natürlich wurde nicht für jeden einzelnen, der mit FC kommuniziert, untersucht, welchen Einfluss der Stützer da nun hat. Ich denke, man kann davon ausgehen, dass in vielen Fällen die Literalität (also das Gegenteil von Analphabetentum) überhaupt erst im Prozess des FC erworben wird und zu Anfang nicht besteht. Müsste man also fragen: Wie lange machen denn die 28% mit dem positiven Ergebnis schon FC, und wie lange die anderen?

Auch was die "Qualität der Inhalte" angeht, die mit der Uninformiertheit der Stützer abnehmen soll, kann man davon ausgehen, dass FC-Schreiber sich durch die Interaktivität beim gemeinsamen Schreiben weiterentwickeln.

M.E. wäre deshalb die Konsequenz, dass man auch beim FC zuerst mal damit anfangen sollte, den Schreibern das Schreiben beizubringen - also Alphabetisierung statt sofort eine philosophische Abhandlung zu erwarten.

Zitat:
Festzuhalten ist: Bis heute ist unbekannt, wieviele der FC-Schreiber die Autoren ihrer Texte sind. Es gibt solche Schreiber, nach den Ergebnissen kontrollierter Studien sind es jedoch eher wenige als viele.


Das ist eine Gefahr für die arglistig getäuschten Leser.

Zitat:
Die einzige Problematik bei FC wäre dann, Kriterien in Bezug darauf zu finden, für wen das FC Angebot sich eignet bzw. für wen es sich weniger eignet. Damit wäre gewährleistet, dass möglichst alle potentiellen FC-Schreiber entdeckt werden bzw. möglichst wenige potentielle "Nicht-FC-Schreiber" mit dem für sie nicht geeigneten Angebot konfrontiert würden.


Aha. Es geht also zumindest *auch* darum, dass man manchen dieses Angebot erst gar nicht machen will...

Zitat:
Zum einen bemerkt sicherlich nicht jeder Schreiber, was da eigentlich passiert; zum anderen ist das FC-Schreiben für manche Schreiber eine angenehme Erfahrung, so dass nicht damit zu rechnen ist, dass dagegen protestiert wird.


Das klingt ja sehr gefährlich und ethisch bedenklich. Wieso sollen solche Leute was kriegen, nur weil es womöglich 'ne angenehme Erfahrung ist? Das muss verhindert werden! Und welche Gefahren gibt es noch?

Zitat:
Der Stützer fungiert in diesem Modell als Kommunikationspartner (wenn auch unfreiwillig), der Schreiber fungiert als triviale Maschine, da er – unbeeinflusst von eigenen inneren Zuständen – lediglich als Relais die Impulse des Schreibers umsetzt.


Da ist ein Widerspruch drin: Wenn der Stützer Kommunikationspartner ist und der Schreiber seine Signale aufnimmt und darauf reagiert, indem er einen Buchstaben antippt, dann ist auch der Schreiber ein Kommunikationspartner, nämlich in Kommunikation mit dem Stützer.

Auch ein anderes Modell dafür, was beim FC passiert, wird kurz angesprochen:

Zitat:
Dadurch, dass der Stützer die getippten Worte laut mitliest, lernt der Schreiber mit der Zeit schreiben, irgendwann übernimmt er die Führung.


Das Problem bei diesem Modell ist allerdings, dass es nicht das Modell ist, auf dass sich die FC-Befürworter berufen und dass es in der Tat für die Mehrzahl der FC-Schreiber nicht zu passen scheint. Es passt nicht auf die Schreiber, bei denen FC innerhalb kürzester Zeit, manchmal in der ersten Stunde, angebahnt wird (Nagy 1998, 19). Und es passt nicht auf die vielen Schreiber, bei denen die Stütze nicht ausgeblendet werden kann. Desweiteren würde das Modell voraussagen, dass der Stützereinfluß negativ mit der Dauer der Stütze korreliert – nach allem, was wir wissen, ist hingegen das Gegenteil der Fall.

Für eine Minderzahl an Schreibern scheint es jedoch zu passen, wobei dann allerdings zu fragen ist, ob es nicht einfachere Methoden gibt, Schreiben zu lehren. Zum Beispiel ist die unbewusste Handführung als Hilfe nur schwer wieder ausblendbar, da man nicht Hilfen bewusst ausblenden kann, von denen man gar nicht weiß, dass man sie gibt.


Leicht auszublenden scheint aber zu sein, dass dann anscheinend bei den Schreibern, bei denen FC schnell gelernt wird, der Stützer einen geringeren Einfluss hat, nach den Untersuchungen ("Desweiteren würde das Modell voraussagen, dass der Stützereinfluß negativ mit der Dauer der Stütze korreliert – nach allem, was wir wissen, ist hingegen das Gegenteil der Fall.")

Für die, bei denen dieses Modell passt, wüsste ich gern, welche einfachere Methode, das Schreiben zu lernen, die Autorinnen anzubieten haben. - Ha, da, schon wieder eine der Gefahren:

Zitat:
Freilich ist nicht wegzudiskutieren, dass beim Einsatz von FC als Kommunikationsmittel sehr wohl Kommunikation stattfindet. Kommunikation findet statt zwischen Schreiber und Stützer: Die präzise Verhaltensabstimmung zwischen Stützer und Schreiber im gemeinsamen Produktionsprozess der Texte (der Stützer denkt, der Schreiber tippt) kann schließlich nur gelingen, wenn intensiv und erfolgreich nonverbal kommuniziert wird. Es ist weiterhin zu vermuten, dass diese Interaktion, die leibliche Kommunikation zwischen Stützer und Schreiber, sich positiv auf die Befindlichkeit der Schreiber auswirken kann (Shane 1994, 315), wobei allerdings dieser Effekt auch auf direkterem Wege erzielbar wäre, z.B. mit basaler Kommunikation (vgl. Mall 1998).


FC könnte sich positiv auf die Befindlichkeit des Schreibers auswirken. Das ist doch 'ne Gefahr, oder? Scherz beiseite. Jetzt kommen die wirklichen Gefahren:

Zitat:
Die Steuerung durch den Stützer führt dazu, dass den FC-Schreibern fremde Äußerungen, nämlich die der Stützer, als ihre eigenen untergeschoben werden. Dass dies unabsichtlich und gegen die Intention der Stützer geschieht, ändert nichts an der Tatsache, sondern macht sie im Gegenteil noch brisanter, da damit Freiraum für Projektionen des Stützers geschaffen wird. Von Tetzchner (1996a, 160f.) weist auf die ethischen Probleme hin, die sich für die Forschung dadurch ergeben, dass sich die Stützer in mit FC produzierten Texten bezüglich ihrer Gedanken und Gefühle ungewollt offenbaren. Placeboeffekt.


Der Schaden wird also nicht dem Schreiber zugefügt, sondern der Forschung. Schreiber und Stützer profitieren gemeinsam davon, arglistig arme Wissenschaftler zu täuschen, und haben dabei ihr gemeinsames Vergnügen. Ja, hm, das ist schon ethisch bedenklich. Kommt halt drauf an, wessen Interessen man vertritt.

Zitat:
Wenn dem Schreiber Gedanken und Gefühle des Stützers zugeschrieben werden und dadurch dem Schreiber eine für seine Mitmenschen eher annehmbare Identität zugeschrieben wird, entsteht – so paradox das auch scheinen mag – durch diese falsche Zuschreibung erst einmal ein förderliches Milieu für weiteres Lernen und vor allem für die Entfaltung der Persönlichkeit


No comment...

Zitat:
Interessant ist das durch solche und ähnliche Zitate belegbare Auseinanderklaffen zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der Begegnung von Menschen mit und ohne Behinderungen. Wenn durch FC bewiesen scheint, dass der Schüler kognitiv nicht beeinträchtigt ist, dann (erst) wird mit ihm respektvoll umgegangen. Sonst nicht?


Diesen Einwand finde ich berechtigt - als Kritik an den Nichtbehinderten. Vom Standpunkt des Schreibers aus sind diese aber eine Umweltbedingung, die man pragmatischerweise am besten als Fakt miteinbezieht, bis sie sich geändert hat. Leider teilt uns die Autorinnen nicht mit, wie das geht, sondern machen sofort weiter:

Zitat:
Auf diese Problematik kann hier nicht näher eingegangen werden (vgl. dazu die ausführliche Diskussion in Hildebrandt-Nilshon et al. 1998), festzuhalten ist, dass die Einführung von FC indirekt sehr positive Auswirkungen haben kann, weil mit "nur kommunikationsbehinderten" Menschen anders umgegangen wird als mit Menschen mit geistiger Behinderung, weil an als kompetent erlebte Schüler andere Erwartungen gestellt werden, weil ihnen andere Förderangebote gemacht werden.


So, jetzt kommen aber doch mal Gefahren für den Schreiber:

Zitat:
Beim Schreiber selbst entsteht vermutlich zunächst einmal Verwirrung, denn: "Was mag in einem schwerer behinderten, in der Verarbeitung sozialer und sprachlicher Wahrnehmungen gestörten autistischen Kind vorgehen, wenn über Monate (manchmal Jahre) Eltern und/oder Therapeuten mit ihm etwas tun, was es nicht versteht ." (Cordes 1996, 34)


Ich fürchte, das ist für ein autistisches Kind ohnehin Alltag, dass Eltern und/oder Therapeuten mit ihm etwas tun, was es nicht versteht. Aber das ist ziemlich suboptimal, das ist wahr.

Zitat:
Auf die Situation weniger schwer behinderter Menschen mit Autismus [Laut Forenregeln diskriminierender Begriff] weist WolfenSberger (1994, 27) hin: Die Wahrnehmung, dass ihnen fremde Kommunikationen zugeschrieben werden und dass ohne ihr eigenes Zutun durch ihre Hand fremde Texte entstehen, könne zu einer Erfahrung von Irrealität führen (im Original: "delusional state"), der diesen aufgrund ihrer speziellen biographischen Situation oft psychisch verletzten Menschen weitere Verletzungen hinzufüge.


Ich denke, dass ist ein tatsächlich bestehendes Risiko, von dem untersucht werden muss, ob es in der Realität passiert. Aber oben hieß es: "zum anderen ist das FC-Schreiben für manche Schreiber eine angenehme Erfahrung".

Zitat:
Dem Gesprächspartner wird jeder dialogische Zugang zu dem Schreiber verbaut, da er mit der falschen Person einen konsensuellen Bereich aufbaut. Ein Dialog mit dem Schreiber und die persönliche Weiterentwicklung des Schreibers können so nicht in Gang kommen.

Das paradoxe Resultat ist daher, dass genau das, was durch FC ermöglicht werden soll, durch FC nachhaltig verhindert wird.


Das ist dann richtig, wenn es mit dem FC nicht klappt und eine andere Methode der Kommunikation geklappt hätte.

Zitat:
Ein weiterer Effekt der Steuerung ist, dass sie – im Wortsinn und metaphorisch – zu einer Entmündigung des Schreibers führt, Entscheidung werden manipuliert, indem sie als Willen des Betroffenen ausgegeben werden. Dies kann sich auf so banale (aber vielleicht doch wichtige) Dinge beziehen wie die Wahl des morgendlichen Brotaufstrichs oder von Freizeitaktivitäten, aber auch auf Entscheidungen wie den Umzug vom Elternhaus in ein Wohnheim, die Aufnahme oder den Abbruch von sexuellen Beziehungen, die Wahl der Ausbildungsstätte oder des Arbeitsplatzes.


Dito.

Zitat:
Die Entmündigung ist besonders gravierend, da die durch FC entmündigten Personen wenig Chancen haben, sich zu sträuben. Zum einen bekommen sie aufgrund mangelnder rezeptiver Sprachfertigkeiten oft gar nicht mit, was da passiert, können sich also gar nicht wehren.


Wenn die durch FC entmündigten Personen nämlich ansonsten auch nicht gefragt worden wären, dann ändert sich für sie nichts.

Zitat:
Zum zweiten wird von vielen FC-Befürwortern implizit vorausgesetzt, dass bei Diskrepanzen zwischen FC-Kommunikation und ungestützter Kommunikation die FC-Kommunikation die authentische sei (Twachtman-CULLEN 1997).


Da sollte man wirklich vom Gegenteil ausgehen. Deshalb ist so eine kritische Stellungnahme und Untersuchungen zu FC durchaus sinnvoll! In Deutschland wird aber davon ausgegangen, dass bei Widersprüchen die ungestützte Kommunikation die authentische ist. In den USA ist das anders, und die Begründung finde ich schon abenteuerlich, aber, das stimmt, in sich logisch:

Zitat:
Die "deutsche" Auffassung ist u .E. für die pädagogische Praxis auch die förderlichere, da die vorhandenen Kommunikationsformen des Schreibers nicht abgewertet werden. Allerdings hat die "amerikanische" Auffassung , dass die FC-Kommunikation authentischer als ungestützte Kommunikation sei, für sich, dass sie sich logisch aus den Prämissen der FC-Befürworter herleitet: Wenn es zutrifft, dass die Schreiber ohne Stütze ihren Willen nicht in Handlungen umsetzen können (vgl. Bundschuh et al. 1997, 31), dann folgt daraus, dass ungestützt durchgeführte Handlungen, insbesondere ungestützt durchgeführte kommunikative Handlungen, nicht der Intention des Schreibers entspringen und daher nicht ihm zugeschrieben werden dürfen.


In der Praxis kann es aber auch in Deutschland häufig passieren, dass die ungestützte Kommunikation ignoriert oder Schlimmeres wird:

Zitat:
Deshalb überrascht es wenig, wenn Bundschuh et al. (1997, 27) für den Fall, dass FC-Schreiber mit der ungestützten Hand auf Items zeigen, folgendes empfehlen: "Tritt das Störverhalten (Hervorhebungen A.B. u. I.Th.) auch nach Überprüfung der Händigkeit noch auf, bietet es sich an, den Klienten zu bitten, die störende Hand in die Hosentasche zu stecken oder sich darauf zu setzen. Ist dies nicht möglich, kann die Hand vom Stützer auch festgehalten werden."


Krass!!!

Noch ein wichtiger Aspekt:

Zitat:
Dazu passt die Beobachtung von Bebko et al. (1996), dass bei fünf der zwanzig von ihnen untersuchten FC-Schreiber die unabhängige Kommunikation (ohne FC) besser (mehr richtige Antworten) gelang als die FC-Kommunikation mit uninformiertem Stützer. Bebko et al. bezeichnen dieses passive Antwortmuster, das nach der Einführung von FC auftauchte, mit dem Ausdruck Abdankungsmuster ("abdication pattern").

Sie vermuten, dass die Zwischenschaltung des Stützers im Kommunikationsprozess dazu führt, dass einige Schülerinnen und Schüler einen Teil ihrer Verantwortung für die Kommunikation an den Stützer abgeben, aus der aktiven Kommunikatorrolle aussteigen. Für diese Interpretation spreche auch ihre Beobachtung, dass manche Schüler unaufmerksamer und weniger aufgabengerichtet waren, wenn FC eingeführt wird. Das Interesse zu kommunizieren war möglicherweise gesunken.


Das kann ich mir wohl vorstellen. Es wäre damit zu fragen, ob FC gerade in solchen Fällen eine geeignete Lern- und Kommunikationsmethode ist. Ich meine, eher nicht.

Man sieht, wie sich meine Kommentare während des Durchlesens von tiefstem Sarkasmus zu vorsichtiger Zustimmung gewandelt haben.
14.07.11, 22:19:56

55555

geändert von: 55555 - 14.07.11, 22:20:21

Und ein weiteres Argument gegen FC:
Zitat:
The Detroit Free Press recently published a six-part investigation into the harrowing case of the Wendrow family, who have two children with autism spectrum disorders. The parents encouraged the use of facilitated communication (FC), a highly controversial technique that aims to help autistic people communicate by using a keyboard with the aide of another person. Despite the fact that FC has been widely debunked, the Wendrows strongly believe it helped their autistic and mute daughter.

FC is what led to a false accusation of sex abuse against the Wendrows by their own child. That left the parents in jail and their two autistic children in foster care.

Quelle

(Schnelle Kurzfassung ohne Gewähr auf Deutsch: Familie mit autistischen Kindern läßt FC anwenden, via FC kommen Anschuldigungen bezüglich sexuellen Mißbrauchs durch die Eltern auf, die Eltern kommen ins Gefängnis, die Geschwister ins Heim (?), später stellt sich die Aussage via FC als falsch heraus.
14.07.11, 23:08:55

wolfskind

foster care = kinderheim von wo aus an pflegefamilien vermittelt wird.
kein heim im sinne von Autisten-unterbringung.
16.05.22, 08:36:52

55555

Das paßt wohl hierhin.
Zitat:
Zitat aus „Aus der Stille der Ewigkeit“

„Lange Jahre hat Kristi keine Möglichkeit, zu ihrer kleinen Tochter durchzudringen, denn Adriana kann zwar hören und brabbeln, erlernt aber nie das Sprechen. Als das Mädchen vier Jahre alt ist, muß seine Mutter akzeptieren, daß sich daran wahrscheinlich nichts mehr ändern kann, denn Adri ist Autistin. Doch Kristi gibt die Hoffnung nicht auf: Als sie im Frühjahr 1991 von einer neuen Technik, der »gestützten Kommunikation«, hört, probiert sie sie aus, obwohl sie zunächst nicht an einen Erfolg glaubt.

Aber plötzlich wird alles anders, denn diese Schreibhilfe ermöglicht es Adri, sich ihren Mitmenschen mitzuteilen. Zunächst ist Kristi vor allem davon begeistert, daß ihre Tochter sich als äußerst intelligent erweist – doch dann erscheinen auf dem Bildschirm atemberaubende, unglaubliche Mitteilungen. Für Kristi beginnt eine Zeit, in der ihr bisheriges Weltbild völlig auf den Kopf gestellt wird ...“

[...]

„Adriana ist autistisch. Adri marschiert nach den Klängen eines Trommlers aus einer Welt, die so ganz anders ist als unsere. Dieses Buch vermittelt uns einen Einblick in diese Welt und in die Seele eines kleinen Mädchens, das sich als »Katalysator für Geschichte« bezeichnet hat. Auf die Frage, was sie damit meine, antwortete Adri: »Ich öffne die Herzen der Menschen für Gott.« Und das tut sie. Dies ist ihre Geschichte und ihre Einladung an Sie, auch Ihr Herz zu öffnen.

[...]

Ich kann nur vermuten, daß Adris Autismus eine spirituelle Mission ist, ein Seelenvertrag, den sie geschlossen hat, um die Herzen der Menschen für sich selbst zu öffnen, für andere und für Gott. Möge dieses Buch ein Trost und eine spirituelle Erweckung für Sie sein. Und wenn es das ist, geben Sie es Ihren Freunden weiter. Gemeinsam können wir in dieser entscheidenden Zeit Veränderungen bewirken.“

Rückdeckeltext und Vorwort Seite 9 + 16

Quelle
Aus der Stille der Ewigkeit
Adriana Rocha / Kristi Jorde
Bastei-Verlag Gustav H. Lübbe GmbH & Co., Bergisch Gladbach
ISBN 3-404-61380-5
 
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