05.05.10, 12:15:02
haggard
geändert von: [55555] - 05.05.10, 18:49:49
[Ausgelagert von hier, Linkumleitung aus Sicherheitsgründen gestrichen (von azrael wurde zwischenzeitlich der Link ganz gestrichen, was eigentlich nicht nötig gewesen war), mfg [55555]]
gebrüder grimm:
eigensinn
Zitat:
Es war einmal ein Kind eigensinnig und tat nicht, was seine Mutter haben wollte. Darum hatte der liebe Gott kein Wohlgefallen an ihm und ließ es krank werden, und kein Arzt konnte ihm helfen, und in kurzem lag es auf dem Totenbettchen. Als es nun ins Grab versenkt und die Erde über es hingedeckt war, so kam auf einmal sein Ärmchen wieder hervor und reichte in die Höhe, und wenn sie es hineinlegten und frische Erde darüber taten, so half das nicht, und das Ärmchen kam immer wieder heraus. Da mußte die Mutter selbst zum Grabe gehen und mit der Rute aufs Ärmchen schlagen, und wie sie das getan hatte, zog es sich hinein, und das Kind hatte nun erst Ruhe unter der Erde.
eine erklärung aus gleicher quelle dazu:
Zitat:
Genau jener Eigensinn, von dem jedes Kind weiß, was er affirmiert: einen eigenen Sinn, einen Wunsch, ein Begehren und damit die Übertretung eines Verbots. Daß darauf Strafe steht, ist nicht verwunderlich. Diese ist banal und unausweichlich wie die kindliche Schuld auch, die immer schon vor jedem Verbot besiegelt ist. Meine Aufmerksamkeit gilt hier nicht dieser Strafe, sondern der Tatsache, daß der Eigensinn und die Repression dieses Eigensinns mit dem Tod des Kindes nicht aufhören. Erst mit der Züchtigung noch im Tod - und zwar durch die Mutter, was entscheidend ist - erst mit der Züchtigung des Toten, wenn nicht des Todes, erschöpfen sich beide.
ist es das, was manche menschen dazu verleiten lässt, autisten umzubringen? dass sie sich quasi ständig widersetzen (aktiv oder passiv)?
05.05.10, 12:25:35
Mama
Ich bin entsetzt über diese schreckliche Geschichte! Auch kann ich die Erklärung nicht verstehen. Ich lese nur Züchtigung, Tod, Eigensinn! Das ist doch eine böse Geschichte, oder?
05.05.10, 12:39:02
55555
Und ich kann nicht recht erkennen, was das speziell mit Autisten zu tun haben soll.
05.05.10, 12:53:21
haggard
es geht um eine eigenschaft: eigensinnig. (autisten bestehen aus eigenschaften und die meisten dürften wohl als eigensinnig bezeichnet werden?)
das mit der krankheit hinkt vielleicht, aber wenn man sich vorstellt, zu welcher zeit dieser kurze text entstand und dass manche kinder eventuell verhungerten, weil sie dieses oder jenes nicht essen wollten - und es nichts anderes gab. und sogar heute noch meinen menschen, dass autisten von einer krankheit befallen wären. (sicherlich kann ich jetzt zusammenhänge konstruieren, die es vielleicht gar nicht gibt, jedoch ist dieser kurze text für mich sinnbild dessen, was scheinbar seit jeher zwischen autisten und NA falsch läuft).
05.05.10, 13:45:17
55555
Ich sehe da eher einen Bezug zu sowas:
Und die Männer der Stadt sprachen zu Elischa: Siehe doch, es ist gut wohnen in der Stadt, wie mein Herr sieht; aber das Wasser ist böse und das Land bringt Fehlgeburten. Und er sprach: Holet mir eine neue Schale und tut Salz darein, und sie holten sie ihm. Und er ging hinaus, wo das Wasser herauskam und warf Salz darein und sprach: So spricht Jehovah: Ich habe diese Wasser geheilt, es sollen daraus nicht mehr Tod und Fehlgeburt kommen. Und die Wasser waren geheilt bis auf diesen Tag, nach dem Worte Elischas, das er geredet. Und er ging von dannen hinauf nach Bethel, und da er auf dem Wege hinaufging, kamen kleine Jungen heraus aus der Stadt und verspotteten ihn, und sagten zu ihm: Komm herauf, Kahlkopf! Komm herauf, Kahlkopf! Und er wandte sich hinter sich und sah sie an und fluchte ihnen im Namen Jehovahs; und es kamen zwei Bären aus dem Walde heraus und zerrissen von ihnen zweiundvierzig Kinder.
05.05.10, 17:07:47
Mama
Steht das wirklich so in der Bibel?
05.05.10, 17:26:23
feder
Warum sollte das nicht
da stehen? (ggf. auch mit anderen Übersetzungen vergleichen, bin gerade zu faul die Übersetzung mit dem exakten Wortlaut herauszusuchen)
05.05.10, 17:31:22
Hans
geändert von: Hans - 05.05.10, 17:32:14
Da stehen noch viel schlimmere Geschichten drin, daß man viel Nächte schlimm träumt,
für mich war das in der Bibel Lesen eine schlimme Belastung, als ich 12 bis 14 war.
Meines Erachtens gehören ebenso Gewalt verherrlichende Computerspiele, wie dieses Buch verboten.
So etwas regt doch die Phantasie erst zu Greuel an,
die von Natur aus im Menschen nicht vorkommen.
Schlimm fand ich auch im alten Testament wie das auserwählte Volk, immer wieder,
die anderen Völker "mit Stumpf und Stiel ausrottet".
Da findet man Stellen, wo Schwangeren der Fötus aus dem Leib gerissen wird,
da habe ich noch tagelang geheult.
Das "andersartige" Volk hatte keine Chance.
Da findet man auch Vieles wieder was Hitler in seinen Schriften gerne verwendete.
Ließ mal Jakob und Esau, da wirst Du zum Antisemiten.
Ach was sind da Grimms Märchen nett und harmlos, obwohl der bayrische Lehrerverband in den 70ern diese
verbieten wollte, wegen der "Grausamkeiten", daß dem bösen Wolf der Bauch aufgeschnitten wird.
Ein Zeuge Jehovas hat mir mal erklärt, für ihn ist die Bibel
eine Gebrauchsanleitung fürs Leben,
oh weh, habe ich da nur gesagt und mit ihm keinen Kontakt mehr.
05.05.10, 17:32:05
Mama
....und er ging von dort zum Berg Karmel....
Ja, so steht es dort.
Ich verstehe den Zusammenhang nicht zu der vorrigen Geschichte; und ich verstehe nicht was die Bibel dadurch sagen möchte.
05.05.10, 19:10:25
55555
Der Text, der von den Grimms aufgegabelt wurde dürfte den Zeitgeist in manchen Kreisen getroffen haben, der religiöse Bezug wurde wohl damals so gesehen. Es mag sein, daß Autisten von diesem Geist damals auch in Mitleidenschaft gezogen wurden, allerdings sehe ich hier eine viel allgemeinere Geschichte im Zusammenhang von Bravsein a la Struwwelpeter. Dazu kann man sich wohl auch den aktuellen Film "Das Weiße Band" zu Gemüte führen. In den langen Jahrhunderten der Monarchie war ein selbstständiger Bürger oft wohl noch viel weniger Ideal als heute. Sinnigerweise steht in der Bibel diese Episode auch in den Chroniken der Könige, die gegen den Rat Gottes eingeführt wurden, weil das Volk auch solche glänzenden Heroen haben wollte wie seine Nachbarvölker (1. Samuel 8).
05.05.10, 23:08:05
Fundevogel
Als ich meine Mutter fragte, warum sie in ihrer Jugend vielem so kritiklos begegnet seien, sagte sie, dass ihr und allen anderen in der religiösen Erziehung beigebracht worden sei, dass etwas anzuzweifeln eine schwere Sünde sei und von Gott bestraft werde.
Die Anleitung zur Selbsterniedrigung habe ihr Übriges getan, angepasste Gläubige und Staatsbürger zu erzeugen.
Erst mit ihren aufsässigen Kindern;) habe sie gelernt, sich mit ihrer Umgebung aus einander zu setzen.
Die Märchen der Gebrüder Grimm sind im übrigen mächtig durch die Kirche bereinigt worden, ehe sie der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden durften.
06.05.10, 08:18:49
Mama
Ich habe immer gedacht, Gott wäre ein Freund. Nun, weiß ich nicht ob ich weiterhin in diesem Buch lesen werde.
Ich bin nun sehr verwirrt.